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Dove, Alfred; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 8. Abhandlung): Studien zur Vorgeschichte des deutschen Volksnamens — Heidelberg, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.34079#0007
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Studien zur A'orgeschichte des deutschen Yolksnamens.

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Steckt nun in alledem bereits eine Fülle sinnreicher WiHkür,
so verdient die weitere Entfaltung der so begründeten Ansicht
diese kritische Bezeichnung erst recht. Ohne sich im mindesten
um den spezieHen Inhalt des gerade im altdeutschen diot ver-
körperten Begriffes auf dem Wege streng geschichtlicher Unter-
suchung zu bemühen, reckte GRiMM den dem Namen 'deutsclF
untergebreiteten Sinn des Volksgemäßen, gleich als handle es
sich um unseren modernen, vieldeutig schwankenden Ausdruck
AVlk', nach allen Seiten mit Behagen aus. 1hm zufolge hätte
unter 'deutsch' zur nämlichen Zeit A^erstanden werden können:
gentilis, gentilitius, popularis, Amlgaris, rusticus, barbarus, bar-
baricus; wus vom gesamten Volk im Gegensatz zu den einzelnen
Stämmen gilt, heimatlich, eingeboren, allgemein verständlich,
populär, national; unter Umständen — im Munde geistlicher
Schriftsteller — auch heidnisch, barbarisch; in bezug auf die
Sprache, sofern sie der gebildeten, verfeinerten der Gelehrten
gegenübergestellt wird, sogar vulgär, gemein und roh. Denn auch
solche Eigenschaften verschmäht er mit nichten; negativ lediglich
vom Standpunkt der Kirche oder der klassischen Ivultur, erschei-
nen sie ihm mit Recht als positive Seiten einer urwüchsigen Natio-
nalität. Ja man merkt ihm an, wie in seinem schlichten, mitfüh-
lenden Gemüt sich eben diese scheinbar erniedrigenden Benennun-
gen vielmehr in Seligpreisungen des Volkes und seiner Rede ver-
wandeln. Daß er jedoch für seine so manmgfache Auslegung
des Namens 'deutsch' den Beweis geliefert, daran fehlt nicht viel
weniger als alles. Für einen Teil der aufgezählten Prädikate tut
er dar, daß sie der deutschen Sprache wirklich beigelegt worden,
an Stellen sowohl, wo dieser Sprache mit Beifügung ihres Eigen-
namens, als auch an solchen, wo ihrer ohne dieselbe gedacht wird.
Daraus folgt indes natürlich keineswegs, daß dem betreffenden
Prädikate die Funktion zukomme, gerade den Eigennamen der so
oder so zu beurteilenden Sprache, im ersteren Falle durch Erläu-
t-erung, im anderen durch Stellvertretung, zu übersetzen. Es
wäre sonst ein leichtes, aus ähnlichen Urteilen für den Namen
mancher anderen Zunge, etwa für 'polnisch' oder 'ungarisch',
genau die gleiche Bedeutung wie für 'deutsch' zu erschließen.
Hat doch JvKOB GRiMM selber die nämliche phantastische Methode
ohne Zaudern weiter ausgedehnt: der Umstand, daß auch den
übrigen, nicht deutschen Germanen häufig eine lingua barbara
oder dergleichen beigelegt wird, dient ihm dazu, den Geltungs-
 
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