ALFRBD DOYE:
bereich des deutschen Namens selbst auch auf diese zu er-
strecken.
Den Historiker fesselt das Problem, den Zusammenhang zu
enthtdlen, welcher zwischen der Entstehung und Entwicklung
unseres Volksnamens und dem Werdegang der noch heute wie
damals durch ihn umschriebenen Nation bestanden hat. Für
JAKOB GRiMM dagegen hätte diese Betrachtung geringen Reiz
besessen; er fühlte sich durch die Tatsache, daß nach dem Befunde
der geschichtlichen Zeugnisse der Ursprung des Namens 'deutsch'
erst in die Karolingerzeit zu setzen ist, eher peinlich beengt. Vor
seiner Seele stand die aus dem vergleichenden Sprachstudium her-
vorgegangene Idealgestalt der großen Stammes- und Wesens-
einheit alles Germanischen. Auf sie hielt er immerdar seine weit-
herzige Forschung gerichtet; dem unablässigen Umgang mit ihr
verdankte er die wichtigsten seiner linguistischen Entdeckungen.
Auf sie den geliebten, zugfeich die Bluts- und die Spraclwerwandt-
schaft bekräftigenden Namen 'deutsch' beziehen zu dürfen, war
eine der angelegensten Forderungen seines germanistischen Be-
kenntnisses. Wie aber: sollte dies Ziel erst durch unsere theoreti-
sche Anstrengung zu erreichen sein ? Soliten nicht schon die alten,
ja die ältesten Germanenstämme in der Praxis ihres Verkehrs
sich wechselseitig des deutschen Namens zum Ausdruck ihres
Gemeingefühls bedient haben ? Ein solches Gemeingefühl schrieb
ihnen JAKOB GRiMM mit Bestimmtheit zu. Führten sie doch in
mythischen Volksahnentafeln ihre auseinanderstrebende AVr-
zweigung auf einen einzigen göttlichen Stammvater zurück. Elnd
leuchtet nicht aus ihren weltgeschichtlichen Gesamttaten das
mehr oder minder helle Bewußtsein einer nationalen Aufgabe
sichtlich hervor ? lionnte ihnen vor allem im Unterschiede von den
Sprachen des römisch-griechischen Reiches, das ihrern stürmischen
Andrange halb erlag, die nahe Verwandtschaft ihrer eigenen
Zungen verborgen ble:ben? Von dem Namen 'Germanen', dem
ethnographischen Generalnenner, unter dem sie häufig von seiten
der Fremden zusammengefaßt wurden, gab GRiMM nach langem
Widerstreben ungern zu, daß er ausländischer Herkunft sei; wes-
halb er der germanischen Zunge selbst augenscheinlich niemals
geläufig war. Desto entschiedener empfahl sich jedoch alsdann
der Gebrauch des, mit dem notorisch allverbreiteten diot^ zugleich,
^ Man wird bemerken, daß ich hier der Kürze halber die auf frühere
Zeiten und andere Stämme freilich nicht direkt anwendbare ahd. Normal-
bereich des deutschen Namens selbst auch auf diese zu er-
strecken.
Den Historiker fesselt das Problem, den Zusammenhang zu
enthtdlen, welcher zwischen der Entstehung und Entwicklung
unseres Volksnamens und dem Werdegang der noch heute wie
damals durch ihn umschriebenen Nation bestanden hat. Für
JAKOB GRiMM dagegen hätte diese Betrachtung geringen Reiz
besessen; er fühlte sich durch die Tatsache, daß nach dem Befunde
der geschichtlichen Zeugnisse der Ursprung des Namens 'deutsch'
erst in die Karolingerzeit zu setzen ist, eher peinlich beengt. Vor
seiner Seele stand die aus dem vergleichenden Sprachstudium her-
vorgegangene Idealgestalt der großen Stammes- und Wesens-
einheit alles Germanischen. Auf sie hielt er immerdar seine weit-
herzige Forschung gerichtet; dem unablässigen Umgang mit ihr
verdankte er die wichtigsten seiner linguistischen Entdeckungen.
Auf sie den geliebten, zugfeich die Bluts- und die Spraclwerwandt-
schaft bekräftigenden Namen 'deutsch' beziehen zu dürfen, war
eine der angelegensten Forderungen seines germanistischen Be-
kenntnisses. Wie aber: sollte dies Ziel erst durch unsere theoreti-
sche Anstrengung zu erreichen sein ? Soliten nicht schon die alten,
ja die ältesten Germanenstämme in der Praxis ihres Verkehrs
sich wechselseitig des deutschen Namens zum Ausdruck ihres
Gemeingefühls bedient haben ? Ein solches Gemeingefühl schrieb
ihnen JAKOB GRiMM mit Bestimmtheit zu. Führten sie doch in
mythischen Volksahnentafeln ihre auseinanderstrebende AVr-
zweigung auf einen einzigen göttlichen Stammvater zurück. Elnd
leuchtet nicht aus ihren weltgeschichtlichen Gesamttaten das
mehr oder minder helle Bewußtsein einer nationalen Aufgabe
sichtlich hervor ? lionnte ihnen vor allem im Unterschiede von den
Sprachen des römisch-griechischen Reiches, das ihrern stürmischen
Andrange halb erlag, die nahe Verwandtschaft ihrer eigenen
Zungen verborgen ble:ben? Von dem Namen 'Germanen', dem
ethnographischen Generalnenner, unter dem sie häufig von seiten
der Fremden zusammengefaßt wurden, gab GRiMM nach langem
Widerstreben ungern zu, daß er ausländischer Herkunft sei; wes-
halb er der germanischen Zunge selbst augenscheinlich niemals
geläufig war. Desto entschiedener empfahl sich jedoch alsdann
der Gebrauch des, mit dem notorisch allverbreiteten diot^ zugleich,
^ Man wird bemerken, daß ich hier der Kürze halber die auf frühere
Zeiten und andere Stämme freilich nicht direkt anwendbare ahd. Normal-