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Dove, Alfred; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 8. Abhandlung): Studien zur Vorgeschichte des deutschen Volksnamens — Heidelberg, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.34079#0004
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4

ALFRED DOVE:

I.
Was wir an JAKOB GRiMM besessen, ist jüngst bei seiner Jubel-
feier jedermann ins Gedächtnis zurückgerufen werden. Wer die-
sen Mann nicht liebt und sein Werk, die deutsche Altertumswissen-
schaft, nicht bewundert, der steht in wesentlichen Stücken außer-
hafb der nationalen Gemeinschaft. Unser Zeitalter überhaupt
mag noch manchen anderen gfeich hohen Gewmn an Erkenntnis,
sei es der natürlichen, sei es der geistigen Welt, \mm Fleiße des
voraufgegangenen Geschfechts überkommen haben; für unser
Volk an sich selbst aber hat wohl memals sonst die stille Arbeit
eines einfachen Gelehrten ein so wertvolles Gut hervorgebracht.
Und gewiß hat ebensowenig je eine menschliche Schöpfung die
Gemütsart lhres Urhebers treuer abgespiegelt. Es bedurfte gerade
jener seltensten Verbindung von Unschuld und Weisheit, um
unserem ganzen deutschen Wesen, wie es von grauer Vorzeit an
lebendig herabreicht bis auf den heutigen Tag, so tief und kfar
ins Herz zu schauen. Zutraulich fromrn, von fröhlicher Ahnung
unsichtbar geleitet, wagte sich dieser allzeit kindfiche Mann ge-
trost bis hart an den Rand des Abgrundes vor, in dessen Schoße
das Geheimnis afles geschichtlichen Werdens Aurborgen liegt.
Und was er dort erbfickt hatte, wußte er dann so rein und lieb-
fich zu erzählen, daß sich der Leser seiner Schriften gfäubig hin-
gerissen fühlt. Die Andacht, mit welcher der teure Meister das
Wirken und Weben unseres Volksgeistes in Recht und Sitte, Dich-
tung und Sage, vor aflem in dem unermeßlichen Bereich der Sprache
betrachtet und darlegt, weht mild und feierlich auf uns selbst
herüber. Wer könnte wünschen, sie mit dem Verstande von sich
wegzuscheuchen ?
Allem die weiterstrebende Forschung hat nicht bloß das
Recht, sondern auch die Pflicht, die eigene Freiheit rücksichtslos
zu gebrauchen. Aus dem schönen Buche, das WiLHELM ScHERER
m erneuter Gestalt als gediegenste Gabe zum Säkularfeste dar-
gebracht^, entnimmt man deutlich, daß, wenn die wundervolle
Leistung JAKOB GRiMMS im großen und ganzen unvergänglich
ist, doch an viefen einzelnen Punkten schon jetzt der Zauber
^ W. SciiERER, Jakob Grimm. 2. Aufl. Beriin 1885.
 
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