Studien zur A'orgeschichte des deutschen Volksnamens.
11
erfoigte, durch bestimmte historische Aiomente bedingte fakti-
sche Entstehungh
Es könnte wohl scheinen, als sei hierdurch nur eben ein Aus-
A\mchs der GRiMMSchen Theorie vom Ursprung und Wesen unseres
nationalen Namens beseitigt worden. Ailein bei näherer t ber-
fegungnimmtmanwahr, daß sie auf dieseWeise Adelmehr in ihrem
innersten Iierne versehrt ward. Denn es unterliegt keinem Zwei-
fel, daß sie in allen Stücken gleichmäßig für jene dämmernde
Frühe des Völkerlebens ersonnen und geeignet war, wo der kaum
erwachte Gedanke, noch träumerisch gestimmt, sich heimlich
ins Alorgengewand der Urworte hüllt. Auf einen vom Tageslicht
der Geschichte umflossenen einzelnen Augenblick dagegen, in
den wir heute die Entstehung des Namens 'deutsch' zu versetzen
genötigt sind, ist die von GRiMM gegebene Interpretation desselhen
geflissentlich gar nicht berechnet gewesen. So widerstrebt die
tdee der inmgsten Verschmelzung der Begriffe 'Volk' und 'Sprache',
die dem germanischen Geiste eingeboren und deshalb überall,
wo er geweht, von lhm verkündet sein sollte, von Haus aus jeg-
lichem Versuch der Beziehung auf ein historisch isoliertes Faktum.
Und ebensowenig paßt zu einem solchen, welches seiner Natur
nach eine durchaus spezielle Motivierung erheischt, die von GRiMM
so überreichlich ausgeschüttete Fülle von Wendungen des Be-
griffes 'volksgemäß'. Läßt sich da irgend erwarten, daß eine so
wohl zusammenhängende Lehre, welche die Leugnung des ge-
schichtlichen Problems, die Müglicbkeit oder vielleicht gar die
Notwendigkeit der plötzlichen Entstehung des Namens 'deutsch'
zu erweisen, absichtlich und ausdrücklich in sich schloß, in ihren
i Eine ganz andere Frage ist, ob nicht wir von unserem Standpunkt
aus nach wie vor berechtigt sind, 'deutsch' auch irn weiteren Sinne von 'ger-
manisch' zu verwenden. Nur Pedanterie könnte diese Frage schlechtweg ver-
neinen, nur wissenschaftliche Unsauberkeit sie für ahe Fäile bejahen. Cerade
auf iinguistischem Gebiete hält die neuere Germanistik mit Recht auf aus-
drückiichc Sonderung beider Begriffe. Für Beibehaltung der Rubrik 'deut-
sche Sprache' im umfassenden Sinne GRiMMS ist besonders lebhaft A. ScHLEi-
cnER eingetreten (Die deutsche Sprache. Stutgart 1861 S. 86f.). Wie seicht
und schief zugleich er indes seines Meisters Meinung erfaßt, beweist der erstaun-
iiche Satz: Das Wort 'deutsch' werde mit Fug als ahgemeine Bezeichnung
fiir ahe germanischen Sprachen gebraucht; bezeichne es doch keine bestimmte
Sprache und überhaupt nicht einmal eine Sprache! Nach dieser ausgezeich-
neten Logik würde sich also auch der Name 'töricht' für ScHLEicHERS Deutsch
vorzüglich eignen.
11
erfoigte, durch bestimmte historische Aiomente bedingte fakti-
sche Entstehungh
Es könnte wohl scheinen, als sei hierdurch nur eben ein Aus-
A\mchs der GRiMMSchen Theorie vom Ursprung und Wesen unseres
nationalen Namens beseitigt worden. Ailein bei näherer t ber-
fegungnimmtmanwahr, daß sie auf dieseWeise Adelmehr in ihrem
innersten Iierne versehrt ward. Denn es unterliegt keinem Zwei-
fel, daß sie in allen Stücken gleichmäßig für jene dämmernde
Frühe des Völkerlebens ersonnen und geeignet war, wo der kaum
erwachte Gedanke, noch träumerisch gestimmt, sich heimlich
ins Alorgengewand der Urworte hüllt. Auf einen vom Tageslicht
der Geschichte umflossenen einzelnen Augenblick dagegen, in
den wir heute die Entstehung des Namens 'deutsch' zu versetzen
genötigt sind, ist die von GRiMM gegebene Interpretation desselhen
geflissentlich gar nicht berechnet gewesen. So widerstrebt die
tdee der inmgsten Verschmelzung der Begriffe 'Volk' und 'Sprache',
die dem germanischen Geiste eingeboren und deshalb überall,
wo er geweht, von lhm verkündet sein sollte, von Haus aus jeg-
lichem Versuch der Beziehung auf ein historisch isoliertes Faktum.
Und ebensowenig paßt zu einem solchen, welches seiner Natur
nach eine durchaus spezielle Motivierung erheischt, die von GRiMM
so überreichlich ausgeschüttete Fülle von Wendungen des Be-
griffes 'volksgemäß'. Läßt sich da irgend erwarten, daß eine so
wohl zusammenhängende Lehre, welche die Leugnung des ge-
schichtlichen Problems, die Müglicbkeit oder vielleicht gar die
Notwendigkeit der plötzlichen Entstehung des Namens 'deutsch'
zu erweisen, absichtlich und ausdrücklich in sich schloß, in ihren
i Eine ganz andere Frage ist, ob nicht wir von unserem Standpunkt
aus nach wie vor berechtigt sind, 'deutsch' auch irn weiteren Sinne von 'ger-
manisch' zu verwenden. Nur Pedanterie könnte diese Frage schlechtweg ver-
neinen, nur wissenschaftliche Unsauberkeit sie für ahe Fäile bejahen. Cerade
auf iinguistischem Gebiete hält die neuere Germanistik mit Recht auf aus-
drückiichc Sonderung beider Begriffe. Für Beibehaltung der Rubrik 'deut-
sche Sprache' im umfassenden Sinne GRiMMS ist besonders lebhaft A. ScHLEi-
cnER eingetreten (Die deutsche Sprache. Stutgart 1861 S. 86f.). Wie seicht
und schief zugleich er indes seines Meisters Meinung erfaßt, beweist der erstaun-
iiche Satz: Das Wort 'deutsch' werde mit Fug als ahgemeine Bezeichnung
fiir ahe germanischen Sprachen gebraucht; bezeichne es doch keine bestimmte
Sprache und überhaupt nicht einmal eine Sprache! Nach dieser ausgezeich-
neten Logik würde sich also auch der Name 'töricht' für ScHLEicHERS Deutsch
vorzüglich eignen.