12
ALFRED DOYE:
übrigen Bestanciteilen zur Lösung eben dieses ProNems überhaupt
von Nutzen sein werde ? Zum mindesten wird man jedenfalls
der neueren Forschung die Pflicht auferlegen müssen, jene ganze
Lehre JAKOB GRiMMS einer wiederholten Prüfung zu unterziehen;
eine Pflicht, der sie bisher nicht ausreichend nachgekommen ist.
Statt der Kritik hat man sich vielmehr mit einem eklektischen
Verfahren begnügt und ist deshalb auch in positiver Hinsicht
zu wenig befriedigenden Resultaten gelangtL
AHerdings herrscht in manchen Punkten allgemeines Ein-
vernehmen. So hat man zuvörderst unbedingt an der einmal
erworbenen Worterklärung festgehaften. Auch heute noch wird
'deutsch' von jedermann durch 'volksgemäß' übersetzt; denn wenn
sich statt dessen auch 'volksmäßig, zum Voike gehörig, was dem
Volke eigen\ oder — mit besonderer Vorfiebe -— 'volkstümlich'
in Gebrauch findet, so ist auf diese Nüancierung des Ausdruckes
kein Gewicht zu legen. Die Hauptsache ist, daß niemand cfaran
zweifelt, daß die zuerst mit diesem Namen befegte lingua Theo-
disca cfadurch als die 'Volkssprache' habe bezeichnet werden
sollen. Auch sovief darf man, da positive Gegenäußerungen in
der Literatur nicht faut geworden sind, als ziemlich aflgemein
zugestanden betrachten, daß die Schöpfung dieses Namens von
dem die betreffende Sprache redenden Volke selber ausgegangen,
daß 'deutsch' nicht bloß dem Laute, sondern auch dem Gedanken
nach eine seibständige Erfindung der deutschen Nation sei. Wie
freilich die fetztere dazu gekommen, bevor sie für ihre eigene
Volksgemeinschaft einen Eigennamen besaß, ihre Sprachgemein-
schaft gerade unter die Kategorie des Volksmäßigen oder Volks-
tümlichen zu bringen, darin steckt eben das Rätsel, das allen denen,
welche nicht etwa auch hier mit Faust meinen: ,,Gefühl ist alles,
Name ist Schall und Rauch," gewiß bisweilen als solches auf die
Seele gefallen ist. Um diesem Rätsel einigermaßen beizukommen,
ist man sodann — aus gutem logischen Grunde, da jegliche Namen-
gebung dem Bedürfnis der Unterscheidung entspringt — von allen
^ Ich vermeide in der nachfolgenden Übersicht über die heutigen An-
nahmen in bezug auf den in Rede stehenden Gegenstand, wobei es zunächst
nur auf eine Andeutung der vorherrschenden Hauptrichtungen ankommt,
die Vertreter dieser oder jener Meinung persönlich namhaft zu machen. Es
kann leicht sein, daß mir eine einzelne, gelegentlich ausgesprochene Ansicht
entgangen ist; einer einigermaßen ausgebreiteten Geltung erfreuen sich in-
dessen jedenfalls nur die von mir berührten Hypothesen.
ALFRED DOYE:
übrigen Bestanciteilen zur Lösung eben dieses ProNems überhaupt
von Nutzen sein werde ? Zum mindesten wird man jedenfalls
der neueren Forschung die Pflicht auferlegen müssen, jene ganze
Lehre JAKOB GRiMMS einer wiederholten Prüfung zu unterziehen;
eine Pflicht, der sie bisher nicht ausreichend nachgekommen ist.
Statt der Kritik hat man sich vielmehr mit einem eklektischen
Verfahren begnügt und ist deshalb auch in positiver Hinsicht
zu wenig befriedigenden Resultaten gelangtL
AHerdings herrscht in manchen Punkten allgemeines Ein-
vernehmen. So hat man zuvörderst unbedingt an der einmal
erworbenen Worterklärung festgehaften. Auch heute noch wird
'deutsch' von jedermann durch 'volksgemäß' übersetzt; denn wenn
sich statt dessen auch 'volksmäßig, zum Voike gehörig, was dem
Volke eigen\ oder — mit besonderer Vorfiebe -— 'volkstümlich'
in Gebrauch findet, so ist auf diese Nüancierung des Ausdruckes
kein Gewicht zu legen. Die Hauptsache ist, daß niemand cfaran
zweifelt, daß die zuerst mit diesem Namen befegte lingua Theo-
disca cfadurch als die 'Volkssprache' habe bezeichnet werden
sollen. Auch sovief darf man, da positive Gegenäußerungen in
der Literatur nicht faut geworden sind, als ziemlich aflgemein
zugestanden betrachten, daß die Schöpfung dieses Namens von
dem die betreffende Sprache redenden Volke selber ausgegangen,
daß 'deutsch' nicht bloß dem Laute, sondern auch dem Gedanken
nach eine seibständige Erfindung der deutschen Nation sei. Wie
freilich die fetztere dazu gekommen, bevor sie für ihre eigene
Volksgemeinschaft einen Eigennamen besaß, ihre Sprachgemein-
schaft gerade unter die Kategorie des Volksmäßigen oder Volks-
tümlichen zu bringen, darin steckt eben das Rätsel, das allen denen,
welche nicht etwa auch hier mit Faust meinen: ,,Gefühl ist alles,
Name ist Schall und Rauch," gewiß bisweilen als solches auf die
Seele gefallen ist. Um diesem Rätsel einigermaßen beizukommen,
ist man sodann — aus gutem logischen Grunde, da jegliche Namen-
gebung dem Bedürfnis der Unterscheidung entspringt — von allen
^ Ich vermeide in der nachfolgenden Übersicht über die heutigen An-
nahmen in bezug auf den in Rede stehenden Gegenstand, wobei es zunächst
nur auf eine Andeutung der vorherrschenden Hauptrichtungen ankommt,
die Vertreter dieser oder jener Meinung persönlich namhaft zu machen. Es
kann leicht sein, daß mir eine einzelne, gelegentlich ausgesprochene Ansicht
entgangen ist; einer einigermaßen ausgebreiteten Geltung erfreuen sich in-
dessen jedenfalls nur die von mir berührten Hypothesen.