86
Rudolf ’Asmus:
Vorbemerkung von VI deutlich, daß ein nicht unwesentlicher Teil
der Einleitung tatsächlich solchen grundlegenden Fragen gewid-
met war. Beinahe scheint es sogar, als ob gerade diese Ein-
führung dem Kaiser die reichste Ausbeute geliefert habe.
Julian war in der Philosophie bloß ein Dilettant; trotzdem
schrieb er ungeachtet aller Abhaltungen gern und viel über philo-
sophische Dinge. War doch auch sein Glaube hier verankert.
Schon als stark ausgeprägte Persönlichkeit konnte er diesen von
keiner Sache, die ihn beschäftigte, trennen. Die gläubige Welt-
erkenntnis gestaltete sich ihm zur Selbsterkenntnis. Auf der Höhe
des Lebens wurde er zudem Kaiser und Pontifex Maximus und damit
zugleich der Prophet des Helios-Mithras, des „gemeinsamen An-
führers, Gesetzgebers und Königs von ganz Hellas“. Sein ΓνώΙΗ
σαυτόν hatte er künftighin der Welt in Wort und Schrift kund zu
tun. Mußte ihm da nicht der Alkibiadeskommentar des Jamblichos
seine Schätze geradezu aufdrängen, zumal deren enzyklopädische
Mannigfaltigkeit für die philosophische Verbrämung aller möglichen
Gegenstände Stoff in Hülle und Fülle darbot ? Auf Grund genauer
Durcharbeitung des ganzen julianischen Korpus darf ich getrost
behaupten, daß seine einzelnen Bestandteile von den frühesten
Briefen an bis zur Galiläerschrift1 zumeist nichts anderes sind als
mehr oder minder selbständige Ausgestaltungen von Anleihen aus
dieser Vorlage. Dies lehrt schon ein Blick auf die vielen Paralle-
len zu der sechsten und siebten Rede in den übrigen Stücken der
literarischen Hinterlassenschaft des Kaisers. Sie finden sich in
meiner Abhandlung über die Galiläerschrift zu den einschlägigen
Stellen sorgfältig verzeichnet.
Der Einfluß der von mir nachgewiesenen Quelle beschränkt
sich selbstverständlich nicht auf Julians Schriften: seine Spuren
sind nicht allein in den beiden Alkibiadeserläuterungen des Proklos
und des Olympiodoros und der anderweitigen Platoexegese, son-
dern auch in der mit dem Apostaten geistesverwandten Schrift
des Sallustius „über die Götter und die Welt“ und in der Erklärung
von Epiktets „Encheiridion“ durch den Damaskiosscliüler Sim-
plikios und noch außerdem in vielen anderen heidnischen und
1 Für diese nimmt neuerdings Geffcken, Deutsche Literaturzeitung
1916, 1641 ff. die Schrift des Jamblichos „über die Götter“ als Quelle an;
s. S. 14; vgl. mein Freiburger Programm 52ff.
Rudolf ’Asmus:
Vorbemerkung von VI deutlich, daß ein nicht unwesentlicher Teil
der Einleitung tatsächlich solchen grundlegenden Fragen gewid-
met war. Beinahe scheint es sogar, als ob gerade diese Ein-
führung dem Kaiser die reichste Ausbeute geliefert habe.
Julian war in der Philosophie bloß ein Dilettant; trotzdem
schrieb er ungeachtet aller Abhaltungen gern und viel über philo-
sophische Dinge. War doch auch sein Glaube hier verankert.
Schon als stark ausgeprägte Persönlichkeit konnte er diesen von
keiner Sache, die ihn beschäftigte, trennen. Die gläubige Welt-
erkenntnis gestaltete sich ihm zur Selbsterkenntnis. Auf der Höhe
des Lebens wurde er zudem Kaiser und Pontifex Maximus und damit
zugleich der Prophet des Helios-Mithras, des „gemeinsamen An-
führers, Gesetzgebers und Königs von ganz Hellas“. Sein ΓνώΙΗ
σαυτόν hatte er künftighin der Welt in Wort und Schrift kund zu
tun. Mußte ihm da nicht der Alkibiadeskommentar des Jamblichos
seine Schätze geradezu aufdrängen, zumal deren enzyklopädische
Mannigfaltigkeit für die philosophische Verbrämung aller möglichen
Gegenstände Stoff in Hülle und Fülle darbot ? Auf Grund genauer
Durcharbeitung des ganzen julianischen Korpus darf ich getrost
behaupten, daß seine einzelnen Bestandteile von den frühesten
Briefen an bis zur Galiläerschrift1 zumeist nichts anderes sind als
mehr oder minder selbständige Ausgestaltungen von Anleihen aus
dieser Vorlage. Dies lehrt schon ein Blick auf die vielen Paralle-
len zu der sechsten und siebten Rede in den übrigen Stücken der
literarischen Hinterlassenschaft des Kaisers. Sie finden sich in
meiner Abhandlung über die Galiläerschrift zu den einschlägigen
Stellen sorgfältig verzeichnet.
Der Einfluß der von mir nachgewiesenen Quelle beschränkt
sich selbstverständlich nicht auf Julians Schriften: seine Spuren
sind nicht allein in den beiden Alkibiadeserläuterungen des Proklos
und des Olympiodoros und der anderweitigen Platoexegese, son-
dern auch in der mit dem Apostaten geistesverwandten Schrift
des Sallustius „über die Götter und die Welt“ und in der Erklärung
von Epiktets „Encheiridion“ durch den Damaskiosscliüler Sim-
plikios und noch außerdem in vielen anderen heidnischen und
1 Für diese nimmt neuerdings Geffcken, Deutsche Literaturzeitung
1916, 1641 ff. die Schrift des Jamblichos „über die Götter“ als Quelle an;
s. S. 14; vgl. mein Freiburger Programm 52ff.