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Rosenzweig, Franz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 5. Abhandlung): Das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus: ein handschriftlicher Fund — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37638#0010
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10

Franz Rosenzweig:

mit der Sauberkeit des Ganzen macht es wahrscheinlich, daß wir
eine Abschrift vor uns haben.
Die erste der beiden aufgesparten Korrekturen hilft uns nun
aber noch weiter. S. 2 Zeile 3 hat Hegel das M des Wortes „Man“,
mit dem der nächste Satz beginnt, unmittelbar nach dem Schluß-
punkt des vorigen Satzes schreiben wollen, es dann jedoch durch-
gestrichen und den Satz erst nach Freilassung eines etwa einen
kleinen Finger breiten Zwischenraumes begonnen. Er hat also
eine Eigentümlichkeit seiner Vorlage genau nachbilden wollen;
solche Sorgfalt pflegt man eigenen Konzepten nicht zu widmen,
eher schon eigenen Reinschriften. Das Manuskript scheint also
die Abschrift nicht eines Konzepts, sondern schon einer Reinschrift
zu sein. Einer eigenen ? das ist an sich nicht gerade wahrschein-
lich. Die letzte noch übrige Korrektur und eine Eigentümlichkeit
der Schriftzüge werden hier weitere Fingerzeige geben.
S. 2 Zeile 3 ist das Komma nach ,,seyn“ durchgestrichen,
obwohl es durchaus hinpaßt, nach heutiger Rechtschreibung nötig
ist und bei Hegels überreichem Gebrauch von Kommas und Ge-
dankenstrichen hier eins von beiden Interpunktionszeichen un-
bedingt zu erwarten wäre. Er scheint also eine Vorlage mit ihm
fremder Interpunktion nachgebildet zu haben. — Das Doppel-s,
sowie das ß, sofern es am Schluß eines Wortes steht, pflegt Hegel
mit einem ununterschiedenen, ihm persönlich eigenen Schriftzug
zu bezeichnen (vgl. „Briefe von und an Hegel“ Seite VII). Von
dieser Eigentümlichkeit weicht er grade in der Zeit vor unserem
Manuskript einmal in den nach 29. IV. geschriebenen Schluß-
blättern der „Positivität des Christentums“ gelegentlich ab, jedoch
nur sehr selten; etwa in einem Falle unter zehn zeigt das ss die
sonst dem ß vorbehaltene Form. Auch das Eleusis-Gedicht hat
unter neun im Sinne der Hegelschen Gewohnheit normalen Fällen
nur eine Abweichung (im Wort „Flusse“); ebenso bleibt das Ver-
hältnis in den nächstfolgenden Manuskripten. In unserem Manu-
skript dagegen, und nur in unserem, stellt sich das Verhältnis
beinahe auf den Kopf: unter zwölf Fällen ist bloß in vieren das
kleine ss von Schluß-ß verschieden. Die übrigen acht haben die
Form eines Schluß-ß, die etwa einem griechischen ß gleichsieht
und damals allgemein üblich ist. Diese auffällige Sonderstellung
unseres Manuskripts fordert geradezu die Erklärung, daß Hegel
hier eine fremde Vorlage abgeschrieben hat, in der das ss die übliche
Form hatte; da er selber, wie gesagt, damals eine leise Hinneigung
 
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