Metadaten

Rosenzweig, Franz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 5. Abhandlung): Das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus: ein handschriftlicher Fund — Heidelberg, 1917

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37638#0009
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus.

9

neuer „nun“ eben gewonnener Erkenntnis trunken, voll von Ideen,
die ,,noch in keines Menschen Sinn gekommen", seines „schöpfe-
rischen Geistes“ froh den königlichen Weg vom. Ich durch die
Reiche der Welt zum Himmel antritt ? ist das der gleiche, der sein
Leben lang nie „ich werde“ und „ich will“ sprach, sondern nur
das vollendete nach langem Zuwarten gereifte Werk für sich
zeugen ließ und, wo er die Zukunft für sich in Anspruch nahm,
es nur tat mit der Gebärde, daß er den Willen der Zukunft, nimmer
den eigenen, deute ? ist das der gleiche Mann ? Und wir wenden
den Blick wieder auf die Züge der Handschrift.
Sie ist sehr sauber geschrieben. Nur an ganz wenigen Stellen
zeigt sie Korrekturen. Erste Niederschriften sehen anders aus,
Hegelsche nun gar — ganz abgesehen davon, daß unter allen von
seiner Hand erhaltenen sich kaum eine randlose finden würde.
Die Korrekturen sind z. T. deutlich sichtbar während des Schrei-
bens gemacht in der Weise, daß ein verschriebenes Wort unmittel-
bar darauf durchstrichen und durch das richtige ersetzt wurde.
Betrachten wir sie im einzelnen.
S. 1 Zeile 5 „seyn“ statt „enthalten“: währenddes Schreibens
verbessert ohne sachlichen oder stilistischen Grund. S. 1 Zeile 27
„Afterglaubens“ statt des gleichbedeutenden „Aberglaubens“, die
Wortform aus Kants Religionsphilosophie. S. 1 Zeile 29 „die“
durchstrichen; offenbar glaubte Hegel zunächst, hier einen neuen
Satz (Subjekt: „die absolute Freiheit“) anzufangen und merkte
erst dann, daß er sich noch in der bei „Umsturz“ begonnenen
Aufzählung befand. S. 1 Zeile 35 ,,ästhe-((sti))tischer“, das. kurz
vorhergegangene st stellt sich unbewußt nach dem Bindestrich
nochmal ein. Die beiden Stellen S. 2 Zeile 3 werden später zu be-
sprechen sein. S. 2 Zeile 9 „Geschichte“ durchstrichen; das Wort,
an dieser Stelle sinnlos, ist eine ungewollte Vorwegnahme des acht
Worte später erscheinenden.
Die besprochenen Korrekturen und auch die beiden noch zu
besprechenden sind sämtlich keine Korrekturen der Art, wie sie
für ein Konzept charakteristisch wären; die drei letztbesprochenen
zeigen die typische Gedankenlosigkeit, in die man beim Abschrei-
ben einer Vorlage gerät (nicht etwa die beim Nachschreiben eines
Diktats, vgl. die Korrektur von „Geschichte“); die beiden erst-
besprochenen zeigen den Willen zu genauer Wiedergabe der Vor-
lage, da sie beide ganz Unwichtiges korrigieren. Dies zusammen
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften