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Götze, Alfred; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 9. Abhandlung): Nomina ante res — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37642#0004
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Alfred Goetze:

sprachlichen Vorgängen der jüngsten Vergangenheit, die im
hellen Lichte geschichtlichen Wissens vor uns liegen ?
Nomina ante res — es will zunächst wie eine Verleitung zu
verwegenem Trugschluß erscheinen, versucht man den Grund-
satz der mittelalterlichen Realisten auf sprachliche Dinge anzu-
wenden, und gewiß kann die Übertragung des scholastischen
Begriffspaares nomen — res auf Wörter und Sachen von einer
Art, für die es seine philosophischen Urheber nicht geprägt haben,
tief in Trugschluß und Irrtum führen. Dennoch, ein Körnchen
Wahrheit birgt der alte Leitsatz auch auf sprachlichem Gebiete.
Wir mustern, um das zu erhärten, zunächst die Namen der
technischen Erfindungen, durch die in jüngerer geschichtlicher
Zeit neue Sachen oder Verfahren in den Gesichtskreis der Deut-
schen getreten sind, die nun auch einen Namen haben mußten.
Um das Alter der Erfindungen zu bestimmen, wird Ludwig
Darm Städters Handbuch zur Geschichte der Naturwissen-
schaften und der Technik (2. Aufl. Berlin 1908) zu Rate gezogen.
In der Fragestellung und dem Versuch, in einem umschriebenen
Kreis zur Lösung vorzudringen, wird zugleich ein Wunsch erfüllt,
den Meringer 1912 in seiner Zeitschrift Wörter und Sachen III 33
ausgesprochen hat.
Die Reihe der Erfindungen, die uns hier angehen, setzt schon
vor der Schwelle der Neuzeit ein und reicht bis an unsere Tage
heran.
Der Kompaß, 1302 von dem Italiener Flavio Gioja aus der
von Chinesen erfundenen Magnetnadel und der auf den Boden
ihres Behälters gezeichneten Windrose zusammengestellt, taucht
nach Mitte des 15. Jahrhunderts in hoch- und niederdeutschen
Seemannsbüchern auf1, seiner Herkunft gemäß mit der aus ital.
compasso entlehnten Bezeichnung, die vor Giojas Erfindung im
Sinne von 'Kreis, Zirkel, Meßgerät’ längst vorhanden gewesen
war. Das NEDict., das the mariners compass seit 1515 belegt,
kennt jene älteren Bedeutungen seit 1300. Im deutschen Binnen-
land ist der Seekompaß nicht vor Geilers Schiff der Pönitenz
1514 zu finden, und auch hier noch nimmt eine andere Bedeutung
von Kompaß den breiteren Raum ein, die vor der seemännischen
vorhanden war, vgl. S.27a: so zaigt der compaß imm tage die
zwölff stunden des tags durch den schatten, als wir sehen so die strymen

1 Belege bei Kluge, Seemannssprache 474.
 
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