Metadaten

Götze, Alfred; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 9. Abhandlung): Nomina ante res — Heidelberg, 1917

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37642#0024
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
24

Alfred Goetze:

daß Wörter, die man nach der Sache, der sie gelten, für blutjung
halten sollte, tatsächlich Jahrhunderte alt sind1. Instrumentum.
volandi taucht in der Phantasie eines Gelehrten schon des 13.
Jahrhunderts auf, bei Roger Baco2: Item possunt jieri instrumenta
volandi, ut homo sedeat in medio instrumenti revolvens aliquod
mgenium ('Maschine’), per quod alae artificialiter compositae aerem
verberent ad modum avi.s volantis. Dabei ist es der Luftschiffahrt
eigen, daß sie ihre Kunstwörter vom Fahren zu Land und Wasser
entlehnt: dem Fahrzeug ist das Flugzeug nachgebildet, dem
Schiff das Luftschiff, Steuer, Passagier und Ballast sind früher
Kunstwörter der Schiffahrt als der Luftschiffahrt. Luftschiffer
ist Lehnübersetzung des älteren Aeronaut, wofür Wielands Auf-
sätze 'Die Aeropetomanie’ und 'Die Aeronauten’ im Teutschen
Merkur 1783 IV 69—96 und 1784 I 69—96, 140—170 reichlich
Zeugnisse bringen.
Wie das Schiff, so kann auch das Luftschiff landen. Aber
wenn ein Flugzeug auf dem Wasser niedergeht, wird dieses Nomen
ante rem als Mißausdruck empfunden und durch das Nomen post
rem wassern ersetzt. Noch während des Bodensee-Wasserfluges
von 1913 durch Spottbildungen wie himmeln, monden, horizonten
und wölken verhöhnt, hat sich das richtig gebildete wassern bald
unentbehrlich gezeigt und ist nun vollkommen eingebürgert.
Die Metapher ist auch für andere Gebiete neuzeitlicher Tech-
nik ein fruchtbares Hilfsmittel geworden, das sich als eines der
besten in unseren Zusammenhang einordnet. Dafür ein letztes
Beispiel. Wie zum lat. cupire 'sehnen’ das Femininabstrakt
cupido 'Liebessehnsucht’, so gehört zu torpere 'erstarren’ torpedo
'die Erstarrung’. Dieses Wort hat schon die Sprache Ciceros
und Varros mit kühner Bildkraft zum Namen eines im Mittelmeer
häufigen Fischs gewandelt, des Zitterrochens, der den lebenden
Wesen, die ihn berühren, elektrische Schläge austeilt und sie
dadurch in den Zustand der Erstarrung versetzt. Torpedo heißt
der Zitterrochen heute noch im Spanischen, und so konnte der
spanische Erfinder der beweglichen Seemine diese mit guter
Metapher torpedo nennen. Sie gestaltete der Amerikaner Bushnell
1796 zu der Schiffswaffe um, an die wir heute bei dem Namen
Torpedo zunächst denken und die 1864 durch Robert Whitehead
1 Das beweist an Ausdrücken der Luftschiffahrt Christmann D. Zeitschr.
f. Luftschiffahrt 1911 Nr. 6 und 8.
2 Opera inedita ed. Brewer, London 1859, De secret. c. 4 S. 533.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften