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Preuschen, Erwin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1918, 15. Abhandlung): Untersuchungen zum Diatessaron Tatians — Heidelberg, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.37677#0014
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14

Erwin Preuschen:

der Weissagungen auf Christus, wegen Steiner Bedeutung für den
Kultus und die Erbauung, wegen seines Wertes als Grundlage
aller von Gott geforderten Sittlichkeit unentbehrlich schien. Da-
neben trat noch die Überlieferung der Herrnworte, aus denen eine
neue Sittlichkeit und ein neuer Glaube sprachen, die aber doch
nicht imstande waren, Gesetz und Propheten zu beseitigen, weil
die Gemeinde auf den nur aus diesen zu führenden Nachweis
eines unvorstellbaren Alters ihrer Anschauungen nicht verzichten
wollte. Es entstand auf diese Weise ein Zustand, der nur erträg-
lich sein konnte, solange sich das geistige Leben der christlichen
Gemeinde noch in den engsten Bahnen bewegte und der jungen
Religion die Flügel noch nicht gewachsen waren, mit denen sie
den Flug in die Völkerwelt wagen konnte. Die Schulen, die in
Rom um 150 miteinander und wider Stoa, Kyniker, Skeptiker und
Epikureer kämpften, brauchten noch andere Waffen, als sie die
Synagoge liefern konnte, deren Eifersucht zudem den christlichen
Gemeinden das Recht bestritt, sich auf das Alte Testament zu
berufen. Einer der ersten, der das klar erkannte, wenn nicht der
erste, ist Tatian gewesen. Nach dem Zeugnis seines Schülers
Rhodon29), der sich selbst literarisch eifrig betätigte, hat Tatian
ein „Buch der Probleme“ verfaßt, in dem er Dunkelheiten und
Widersprüche der heiligen Bücher, d. h. des Alten Testamentes,
ans Licht zu stellen verhieß. Eine Lösung der Probleme scheint
er nicht geboten zu haben; sonst würde sich nicht Rhodon ver-
anlaßt gesehen haben, die Schrift seines Meisters durch einen
Kommentar zu ergänzen, in dem er diesen Problemen eine Lösung
beizugeben in Aussicht stellte.30) Es liegt nahe, diese Schrift über
die Probleme der Bibel mit den Antithesen Markions in Vergleich
zu setzen, die dem Zwecke dienen sollten, die Unvereinbarkeit
des Alten Testamentes mit der Lehre Jesu nachzüweisen und da-
mit dessen Beseitigung aus dem Gebrauch der Gemeinden durch-
zusetzen. Markion hat sein Ziel freilich nur dadurch erreichen
können, daß er zur Gründung einer Sonderkirche schritt, in der
man dann auf die Benutzung des Alten Testamentes verzichtete
und sich mit einer nur ein verkürztes Lukasevangelium und eine
29) S. Eusebius, h. e. V 13, 8: φησίν (sc. 'Ρόδων) δέ καί έσπουδάσθαι τψ
Τατιανω Προβλημάτων βιβλίον, δι’ ών τό άσαψες καί Απικεκρυμμένον των θείων
γραψών παραστήσειν ύποσχομένου τοΰ ΤατιανοΟ.
30) Eusebius, h. e. V 13, 8: αυτός ό 'Ρόδων έν ίδίψ συγγράμματι τάς των
έκείνων προβλημάτων έπιλύσεις Ακθήσεσθαι Απαγγέλλεται.
 
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