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Preuschen, Erwin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1918, 15. Abhandlung): Untersuchungen zum Diatessaron Tatians — Heidelberg, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.37677#0028
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Erwin Preuschen :

sichere Schlüsse zuzulassen, die aber wenigstens soviel zu be-
weisen scheinen, daß ihnen ein Text zugrunde liegen muß, von
dem sich Matthäus und Lukas gleich bequem herleiten lassen. Und
dasselbe beweisen die Zitate Justins, deren Zahl allerdings, wenn
der Dialog als Quelle ausscheidet (Anm. 47), erheblich zusammen-
schrumpft. Hat aber Tatian hier nicht die römische Sonderüberliefe-
rung benutzt, woran zu denken am nächsten liegen würde, so ist die
Frage offen, woher er seine Quellen entnahm. Eine klare Ant-
wort auf diese Frage zu gehen wird schwerlich gelingen. Denn
vor Tatians Zeit sehen wir nur in einen finsteren Ort; nach ihm
lichtet sich das Dunkel und zwar so rasch, daß man nach einem
Menschenalter bereits keine Erinnerungen an den früheren Zu-
stand zu haben schien.56) Es ist aber vielleicht doch erlaubt, ver-
mutungsweise auf einiges hinzuweisen. Tatian hat leider über
seinen Lebensgang nur spärliche Andeutungen gemacht, und
andere Quellen, aus denen die Lücke ergänzt werden könnte, be-
sitzen wir nicht.57) Alles, was wir wissen, ist, daßi Tatian große
Reisen gemacht — πολλήν be έττιφοιτήσας γην sagt er selbst,
or. 35 — und auf diesen nicht nur die Wissenschaft, sondern auch
die Kunst kennen gelernt hat, bis er in Rom festen Fuß faßte.
56) Date die apodiktische Sicherheit, mit der Irenaus seine Sätze formt und
ausspricht, nicht dazu führen darf, hinter ihn eine „uralte“ Überlieferung zu
stellen, zeigen noch die Formeln, mit denen er die Anführungen einleitet: dominus
dicit, ait; scriptum est; in evangelio scriptum est; dominus manifestavit, prae-
dicat dicens u. a. Nur da, wo es nicht zu umgehen ist, nennt er einmal den
Namen eines Evangelisten, wie etwa II 22, 5: ita enim qui eius annos significavit
Lucas posuit. An solchen Stellen ist der Grund offensichtlich. Man vergleiche
damit die Art, wie Origenes zitiert, und man wird den Abstand ermessen, der
zwei Menschenalter später erreicht war. Aber in manchen Gegenden, wie beson-
ders im Osten, hat sich auch dieser Brauch als Rest älterer Anschauungen noch
lange erhalten, wie z. B. die Katechesen des Cyrillus von Jerusalem und die
Homilien des Severian noch zeigen. Die Frage, wie Irenaus zu dem Diatessaron
steht, ist später besonders zu untersuchen. Dabei wird auch seine Art des
Zitierens zur Sprache kommen.
57) Die Ketzerbestreiter (Hippol., Philos. VIII 16; [Tertull.] de haer. 20;
Epiphanius, haer. 46, 1) wissen auch nichts weiter, als was aus Irenaus zu ent-
nehmen war. Wenn Epiphanius als besondere Kunde, die zu ihm gekommen
sei und auf die er stolz ist verweisen zu können, noch die erwähnt, er habe eine
eigne Schule in Mesopotamien bis zum 12. Jahr des Antoninus Pius (= 150/151)
geleitet, so wird man darin keine besondere Erweiterung unseres Wissens er-
kennen. Das 12. Jahr des. Antoninus ist ein Mißverständnis aus der Chronik des
Eusebius. Der Versuch Zahns, das Datum auf eine auch von Eusebius benutzte
Quelle zurückzuführen, ist gewagt (Tatians Diatessaron, S. 281 f.).
 
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