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Preuschen, Erwin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1918, 15. Abhandlung): Untersuchungen zum Diatessaron Tatians — Heidelberg, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.37677#0043
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I. Das Diatessaron und seine Bedeutung für die Textkritik der Evangelien. 43

schaulichkeit möglichst groß ist, oder daß die Bilder leicht ver-
ständlich sind.
Es mag an diesen Proben genügen. Was mit ihnen gezeigt
werden sollte: das von Tatian geübte Verfahren, durch das es
ihm gelang, die vier Einzelschriften so ineinander zu arbeiten,
daß eine einheitliche Darstellung entstand, dürfte durch diese
Proben erreicht sein. Sie zeigen, daß Tatian es in der Tat ver-
mocht hat, bei aller Schonung des Überlieferten eine ganz glatte
Darstellung zuwege zu bringen. Dabei griff er, wo es ihm nötig
schien, auch tiefer ein; Züge; die nicht mehr zeitgemäß waren,
wurden einfach getilgt, Gedanken, die sich mit seiner Dogmatik
nicht vertrugen, ausgemerzt. Oft genügte die Änderung1 eines
einzigen Wortes, um den vermeintlichen Schaden zu beheben.
Er scheute auch vor Zusätzen nicht zurück, wenn es die Ver-
ständlichkeit oder Anschaulichkeit des Textes zu erhöhen galt,
wobei ihm seine genaue Kenntnis des Ostens zustatten kam.
Denn als geborener Syrer kannte er den Brauch des Morgenlandes,
wie er ohne Zweifel auch über eine genaue, auf eigner Anschauung
beruhende Kenntnis des Bodens verfügte, auf dem sich die heilige
Geschichte abgespielt hatte. Ein so freies Schalten mit den Tor-
lagen war allerdings nur dann möglich, wenn diese noch in keiner
Hinsicht die Eigenschaften heiliger Urkunden besaßen, sondern
wenn sie angesehen und behandelt werden konnten, wie jedes
andere Schriftstück. Aber ‘auch die Vierzahl der Evangelien, die
Irenaus mit solchem Eifer als etwas durch den Heilsplan Gottes
selbst unantastbar Feststehendes hinzustellen suchte, konnte
unmöglich für Tatian diese einzigartige Bedeutung haben. Wäre
das der Fall gewesen, so wäre sein Unternehmen von Anfang an
zu völliger Bedeutungslosigkeit verurteilt gewesen.
Zugleich geht schon aus diesen Proben hervor, was sich bei
einer Erwägung des Diatessarontextes wieder und wieder be-
stätigt, daß Tatian für diese Arbeit gerüstet gewesen ist nicht nur
mit dem ausdauernden Fleiß, den es nicht verdrießt, auch die
kleinsten Parallelen sorgfältig zu vergleichen und gewissenhaft
zu prüfen, sondern auch mit einem nicht, geringen Maß von Scharf-
sinn und schriftstellerischem Geschick, ohne das die Zusammen-
arbeitung immer nur ein Flickwerk geblieben wäre. Besäßen wir
irgendeinen Abschnitt nur in der Form, in der er im Diatessaron
zu lesen stand, ohne daß wir die Möglichkeit einer Prüfung an
der Hand der Einzeltexte hätten, so würde es schwerlich möglich
 
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