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Preuschen, Erwin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1918, 15. Abhandlung): Untersuchungen zum Diatessaron Tatians — Heidelberg, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.37677#0054
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54

Erwin Preuschen :

evangelium aber mochten die Ebioniten wohl derartiges be-
haupten, auch bei denen wohl Glauben finden, denen der Schein
hohen Alters, aber auch manche höchst originelle Überlieferung
besonders eindrucksvoll erschien.
Dasselbe, was sich aus den seltenen Erwähnungen des Buches
hei den Schriftstellern griechischer Zunge erschließen Läßt, ergibt
sich auch aus der Geschichte des Diatessarons im Abendland.
Wenn Victor von Capua im 6. Jahrhundert einer lateinischen Über-
setzung Verbreitung zu verschaffen suchte und mittelbar auch da-
durch weitgehende Verbreitung verschaffte, daß sie die Grund-
lage einer althochdeutschen wurde, so kann man, wie Zahn102),
ja auch auf die unbestreitbare Tatsache hinweisen, daß wie in
Rom, so auch an den Handelsplätzen des Abendlandes Syrer
wohnten, die, sofern sie Christen waren, das Diatessaron von der
Heimat her in Gebrauch haben mochten. Wenn man auch das
zugeben darf, so ist es doch bei aller Aufwendung von Scharfsinn
Zahn nicht gelungen, einen halbwegs einleuchtenden Grund dafür
geltend zu machen, wie jemand im Abendland das Verlangen
empfunden haben soll, dies syrische Buch ins Lateinische über-
tragen zu sehen. Kirchliche Zwecke waren ausgeschlossen, und
an private Erbauung wird man nicht denken können, da auch
sie, soweit sie die Bibel gebrauchte, sich auf die kirchlichen
Texte beschränkte. Sollte aber ein rein wissenschaftliches In-
teresse Vorgelegen haben, so müßte Zahn erst noch ein Beispiel
dafür vorführen, daß damals um deswillen ein syrisches Buch ins
Lateinische übertragen worden sei. Ja, er wird auch kein Bei-
spiel aus der reichen Imgendenliteratur dafür anzugeben ver-
mögen, bei dem eine syrische Schrift ohne Vermittlung des Grie-
chischen ins Lateinische übersetzt worden wäre, weder zur Zeit
des Victor noch in früheren Jahrhunderten. So liefert denn schon
die bloße Tatsache des Vorhandenseins einer lateinischen Be-
arbeitung den Beweis für das Dasein der griechischen Fassung
des Werkes.
Aber auch Reste des Griechischen haben sich erhalten, und
Zahn hat das Verdienst;, auf sie zuerst in diesem Zusammen-
hang aufmerksam gemacht zu haben. Über der Vorlage, aus der
der Humanist Othmar Nachtigall oder, wie er sich mit ge-
10-) Zahn, Forschungen Π, S. 398 ff. Gesch. d. ntl. Kanons I, S. 415 f. Dagegen
Harnack, texte u. Unters. 1, lßS2, S. 215 f, über die ETnWahrscheinlichkeit dieser
Annahme.
 
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