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Hausrath, August; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1918, 2. Abhandlung): Achiqar und Aesop: das Verhältnis der orientalischen zur griechischen Fabeldichtung — Heidelberg, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.37664#0005
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Achiqar und Aesop.

5

Wenn ich demgegenüber auf diesen Blättern im Geiste Erwin
Rohdes die Originalität der griechischen Fabel aufs neue1 zu er-
weisen versuche, muß einleitenderweise auch das in der Über-
lieferung mit dem Kapitel Achiqar-Aesop verschlungene Kapitel
Achiqar-Demokrit kurz behandelt werden.

Die Geschichte von Achiqar und Nadin2 ist als Buch von den
zwei Vezieren im Orient weit verbreitet gewesen. Der wesentliche
Inhalt der arabischen Fassung, die abgerundeter ist als die ihr
zugrunde liegende syrische3, ist folgender. Achiqar, der Vezier
Sennacheribs, des Königs von Assyrien, ist kinderlos. Er wendet
sich an die heidnischen Götter und, da diese versagen, an den
wahren Gott, der ihm rät, seinen Neffen Nadin zu adoptieren.
Er erzieht diesen nun mit allem Eifer und erreicht auch, daß Senna-
cherib dem Nadin die Nachfolge im Amt als Vezier zusagt. Dazu
rüstet Achiqar den Neffen in einer langen Reihe von Weisheits-
sprüchen aus, die in allen Fassungen den wichtigsten Teil der
Geschichte bilden. Aber der undankbare Nadin zeigt sich so roh
und gewalttätig, daß Achiqar ihn mit des Königs Zustimmung
aus dem Hause weist. Darauf verleumdet Nadin den Achiqar
durch gefälschte Briefe mit solchem Erfolg, daß der König den
Vezier wegen Hochverrates zum Tode verurteilt. Aber seine
Frau erreicht es beim Henker, daß dieser statt seiner einen Sklaven
enthauptet, während Achiqar in einem verborgenen Gemach
unter der Schwelle seines Hauses weiterlebt. — Auf die Nachricht
vom Tode des weisen Veziers hin werden die Nachbarn Senna-
cheribs übermütig und bedrängen ihn auf jegliche Weise. So ver-
langt u. a. der Pharao, daß ihm Sennacherib einen Mann schicke,
der ihm eine Burg zwischen Himmel und Erde baue und auf alle
Rätselfragen Antwort gebe. Der König verzweifelt und gedenkt
1 Vgl. meinen Artikel Fabel bei Pauly-Wissowa, R. E. VI, 1723—31
(geschrieben 1906).
2 Über die Namensformen vgl. Nöldeke S. 2 u. 4, dem ich mich an-
schließe, Smend S. 57 A. 1 und Meissner, Das Märchen vom weisen Achi-
qar (der alte Orient XVI. 2) S. 26.
3 Über das Verhältnis der einzelnen Versionen zueinander vgl. Ren-
del-Harris S. XXI, XXII, Nau S. 117, 118; Meissner S. 15. Über die
Zurückführung der ganzen Erzählung auf altbabylonische Sagen siehe unten
Kap. 3.
 
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