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Hausrath, August; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1918, 2. Abhandlung): Achiqar und Aesop: das Verhältnis der orientalischen zur griechischen Fabeldichtung — Heidelberg, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.37664#0043
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Achiqar und Aesop.

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„literarische“ Fabel, die Geschichte vom Habicht, der die Nachti-
gall, die er in den Fängen entführt, verspottet, ein αίνος, den
Hesiod im Rügegedicht an Perses mit deutlicher Beziehung auf
die ungerechten ανακτες seiner Zeit erzählt. Weiter das poesie-
volle Märchen von Adler und Fuchs, die erst in Freundschaft
lebten, bis der Adler die Jungen des Fuchses raubte, dem dann
Zeus zur verdienten Rache half — auch es von Archilochus mit
fast dramatischer Kraft im Kampf gegen den wortbrüchigen
Schwager verwandt. Ferner die sinnvolle Rede, die im attischen
Skolion der Krebs spricht, wie er die tote Schlange mit den Scheren
geradzieht: εύ'&νν χρή τον έταΐρον εμμεν και μη ακόλια φρονεΐν.
Ebenso die witzige Ausrede des Fuchses, der angeblich eine Furt
im Mäander kennt, aber vom Flusse weggeschwemmt wird, wie
er sie den anderen zeigen soll: άπόκρισίν εις Μίλητον εχω καί
ταντην έκεϊσε αποκομίζει βούλομαι. Schließlich die Geschichte
vom Fuchs, der in eine Schlucht eingeklemmt von Hundezecken
gepeinigt wird. Der mitleidige Igel will sie ihm ablesen, aber der
Fuchs widerspricht, da diese Peiniger sich jetzt schon vollgesogen
haben und anderen den Platz versperren, die dem Fuchs das
letzte Blut rauben könnten — Aesop soll die Geschichte den
Samiern erzählt haben, als sie einen ihrer Demagogen zum Tode
verurteilen wollten.
ln diesen Formen der poesievollen Tiergeschichte und des
witzigen Tiergesprächs hat sich die „Fabel“ i m alten Griechenland
zunächst entwickelt. Die Betonung des lehrhaften Elements,
nach der schließlich die Moral zum Wichtigsten und zum Aus-
gangspunkt der Fabeldichtung wird, kommt erst durch die Rhe-
torenschule hinein und hat dann später durch Lessings Autori-
tät die Fabeldichtung rationalistischer Zeiten sich einseitig ent-
wickeln und dabei verdorren lassen. Charakteristisch ist dabei
noch für die alte Fabel der streitbare Ton, in dem sie von Hesiod
und Archilochus an meist im Munde des Schwächeren gegen den
Stärkeren verwandt wird1.
Dieser ersten Entwicklungsstufe der griechischen Fabel ver
gleichen wir die orientalische Fabel bei Achiqar. Dem satirischen
Tiergespräch entsprechen im Papyrus der Dialog zwischen dem
Panther und der frierenden Ziege, die sich von jenem nicht be-
1 Neubner, apologi Graeci antiquissimi historia critica, Leipzig. Diss.
1889. So ist der αίνος der Vorläufer und die Wurzel des ίαμβος.
 
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