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Neckel, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1918, 7. Abhandlung): Studien zu den germanischen Dichtungen vom Weltuntergang — Heidelberg, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.37669#0003
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Auch nach den bahnbrechenden Forschungen Axel Olriks
über Ragnarök und den eindringenden Untersuchungen über
Muspilli in den letzten Jahren muß das mit diesen Stichworten
bezeichnete Gebiet der altgermanischen Kultur- und Literatur-
geschichte noch als recht unklar gelten. Es sind noch keine be-
friedigenden Antworten gefunden auf die Fragen nach dem Ur-
sprung und dem Alter, ja nach dem Inhalt der nicht-christlichen
Eschatologie bei den Germanen und nach den Zusammenhängen
zwischen den stabreimenden Gedichten, in denen sie vorliegt.
Die beiden letzten Punkte sollen uns zuerst beschäftigen.
Der Inhalt der eschatologischen Vorstellungen ist der nächst-
hegende Gegenstand der Forschung; und doch scheint weitere
Bemühung selbst hier noch immer nicht unangebracht. Bei der
Spärlichkeit des Stoffes kann aber die Interpretation Vergleichung
des gesamten Stoffes nicht entbehren, und so schließt sich von
selbst die Frage nach Quellen und Abhängigkeiten an.

Wir gehen aus von den nordischen Denkmälern, da diese
reicher sind und gegenüber dem christlichen Überlieferungskreis
viel selbständiger dastehen als die deutsch-angelsächsischen. Sie
sind reicher nicht bloß in dem Sinne, daß sie stofflich mehr bieten,
sondern auch insofern, als ihr Stoff in Varianten vorliegt, was
man von dem der westgermanischen Quellen nicht sagen kann.
Dieser Uneinheitlichkeit ist zuerst Olrik gerecht geworden.
Aber er hat sie überschätzt; und zwar weil die Olrik sehe Methode
der Textauslegung zuweilen allzu positivistisch gewesen ist. In
dem Streben, Dichterindividuen, Länder und Zeiten reinlicher zu
scheiden, als es bis dahin üblich gewesen war, konnte der hoch-
verdiente Forscher sich gegen das einzelne Zeugnis gleichsam ver-
härten, indem er nur gelten ließ, was in dürren Worten gesagt
war, mehr bedacht auf die Abstände und die Mannigfaltigkeit der
Aussagen als darauf, die einzelne verständlich zu machen, und
daher die Möglichkeiten wechselseitiger Erhellung ebenso über-
sehend wie die Wahrscheinlichkeit von Verlusten. Diese Neigung

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