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Neckel, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1918, 7. Abhandlung): Studien zu den germanischen Dichtungen vom Weltuntergang — Heidelberg, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.37669#0023
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Studien zu den germ. Dichtungen vom Weltuntergang.

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'glücklicher Schütze’ — so nennt ihn Snorri, während der Odins-
sohn nicht schießt oder schleudert, sondern zuschlägt {vega: slö) -
den furchtbaren Surt erlegen soll.
Die Hinweise auf den Frey-Rächer Väli bestätigen, daß
Freys Rolle beim Ragnarök in unseren Quellen stark durch Odin
verdunkelt ist, daß sie einst viel bedeutender war. Dieses Einst
liegt aber vor dem Zeitalter der Kykliker, vor der Völuspä. Da-
mals waren Surt und die Muspellz megir die eigentlichen Ragnarök-
dämonen, gespenstische, feurige Reiter, die mit der berittenen
Götterschar am Himmel Zusammenstößen in blutigem Schwerter-
kampf (blanda higrlegi).
Wir fragen: woher stammt diese himmlische Reiterschlacht ?
Die Frage drängt sich auf, denn den Nordleuten waren bis um 1100
berittene Heere unbekannt. Ihre Phantasie kann also schwer-
lich einen mythischen Kampf berittener Scharen erfunden, schwer-
lich auch irgend ein Himmelsphänomen als einen solchen gedeutet
haben. Dieser Umstand ist auch insofern für uns wichtig, als er
erklärt, wie das Bild der Reiterschlacht in den nordischen Quellen
hat in Trümmer gehen können. Wenn wir aber vorhin zu der
Alternative gelangten, daß der Gegner des Freyr in seiner charak-
teristischen Erscheinungsform entweder für Freyr geschaffen
oder infolge einer schon vorher vorhandenen Ähnlichkeit mit
Freyr diesem gegenübergestellt worden ist, so erkennen wir jetzt
die zweite Möglichkeit als die allein in Betracht kommende, und
wir kleiden sie in die Form der Behauptung: Surt ist ebenso wie
die Muspellz megir von Süden in Skandinavien eingewandert.
Dieser Satz steht im Einklang mit zwei anderen Beobach-
tungen: Erstens: die Ragnarökvorstellungen des alten Nordens
stammen großenteils aus der Fremde, und diejenigen Götter-
feinde, die nur beim Ragnarök auftreten, sind in erster Reihe
Surt und die Muspellssöhne. Zweitens: das Wort Muspell be-
gegnet als mudspell(i), muspilli auch in alten deutschen Quellen,
und zwar in inhaltlich ähnlichen, insbesondere ebenfalls vom
Weitende handelnden Zusammenhängen.
II.
Wir haben das Wort Muspell bisher nur in Verbindungen
wie 'Muspellssöhne’ angetroffen. Tatsächlich kennen die nordi-
schen Ragnarökquellen nur diese: Muspellz synir sagt die Loka-
 
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