Studien zu den germ. Dichtungen vom Weltuntergang.
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die wir aus den Skirnismäl kennen. Aber die Anspielung wird
durch die Skirnismäl nicht vollständig erklärt. Hier gibt zwar
Freyr dem Werber sein berühmtes Schwert mit, das selbsttätig
(und unwiderstehlich) gegen die Riesen kämpft, und der Werber
bedroht mit diesem Schwert die sich sträubende Riesin, wie auch
ihren Vater; es scheint ferner, daß er ihren Bruder, der ihm den
Einlaß verweigerte, damit erschlagen hat. Aber daß Freyr bei
dieser Gelegenheit sein Schwert verloren hätte, indem er es den
Riesen überließ (.seldir, Lok. 42, 3), davon verlautet nichts. Auch
wird in den Skirnismäl der Gerd allerdings Gold angeboten (zu-
erst elf goldene Äpfel, dann der Ring Draupnir), aber sie weigert
sich, es anzunehmen, und wenn sie sich schließlich doch dem
Werber fügt, so tut sie es nicht, weil sie 'mit Gold gekauft’ ist
- d. h. weil ihr Vater Gold als Mund empfangen hat —, sondern
weil Skirnirs Flüche ihr Angst machen.
Betrachten wir diese Darstellung genauer und vergleichen
sie einerseits mit Lokasenna 42, anderseits mit den Ragnarök-
strophen der Völuspä, so zeigt sich ein Weg, die Abweichungen
zu erklären. Skirnir führt der Gerd zuerst die goldenen Götter-
äpfel vor Augen, dann den Goldring Draupnir, endlich Freys
'schmales, damasziertes’ Schwert. Das ist eine Trias von bekannter
Art. Aber der Abschluß scheint gestört. Wir erwarten, die
Wirkung, die den Äpfeln und auch dem Ring versagt bleibt, durch
das Schwert eintreten zu sehen, und stellen uns demgemäß vor,
daß das Schwert als lockendes Kleinod vorgeführt wird. Aber
der Text nötigt uns, diese Vorstellung zu berichtigen und jene
Erwartung aufzugeben. Denn wir lesen zwar 'siehst du dieses
Schwert, Maid, das schlanke, damaszierte, das ich in der Hand
hier halte?’, aber dann geht es plötzlich weiter: 'das Haupt ab-
hauen vom Halse werd’ ich dir —’. Diese Drohung überrascht
uns nicht nur, sie steht nicht nur in einem auffälligen Verhältnis
zum Vorangehenden, sondern vor allem auch zum Folgenden.
Der Drohende macht nämlich, als die Bedrohte ihm weiter trotzt,
sein Wort nicht wahr, sondern begnügt sich, als sie ihn auf ihren
Vater Gvmir verweist, auch diesem den Tod anzudrohen. Ohne
eine Antwort der Gerd abzuwarten, geht er dann sogleich zu
Drohungen mit Zauber und zu Fluchformeln über. Skirnir hat
sich also vergaloppiert; er tritt den Rückzug an und sucht auf
anderem Wege zum Ziel zu kommen, was ihm denn auch gelingt.
Unleugbar dient dieser Rückzug des Freiers dazu, der stolzen
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die wir aus den Skirnismäl kennen. Aber die Anspielung wird
durch die Skirnismäl nicht vollständig erklärt. Hier gibt zwar
Freyr dem Werber sein berühmtes Schwert mit, das selbsttätig
(und unwiderstehlich) gegen die Riesen kämpft, und der Werber
bedroht mit diesem Schwert die sich sträubende Riesin, wie auch
ihren Vater; es scheint ferner, daß er ihren Bruder, der ihm den
Einlaß verweigerte, damit erschlagen hat. Aber daß Freyr bei
dieser Gelegenheit sein Schwert verloren hätte, indem er es den
Riesen überließ (.seldir, Lok. 42, 3), davon verlautet nichts. Auch
wird in den Skirnismäl der Gerd allerdings Gold angeboten (zu-
erst elf goldene Äpfel, dann der Ring Draupnir), aber sie weigert
sich, es anzunehmen, und wenn sie sich schließlich doch dem
Werber fügt, so tut sie es nicht, weil sie 'mit Gold gekauft’ ist
- d. h. weil ihr Vater Gold als Mund empfangen hat —, sondern
weil Skirnirs Flüche ihr Angst machen.
Betrachten wir diese Darstellung genauer und vergleichen
sie einerseits mit Lokasenna 42, anderseits mit den Ragnarök-
strophen der Völuspä, so zeigt sich ein Weg, die Abweichungen
zu erklären. Skirnir führt der Gerd zuerst die goldenen Götter-
äpfel vor Augen, dann den Goldring Draupnir, endlich Freys
'schmales, damasziertes’ Schwert. Das ist eine Trias von bekannter
Art. Aber der Abschluß scheint gestört. Wir erwarten, die
Wirkung, die den Äpfeln und auch dem Ring versagt bleibt, durch
das Schwert eintreten zu sehen, und stellen uns demgemäß vor,
daß das Schwert als lockendes Kleinod vorgeführt wird. Aber
der Text nötigt uns, diese Vorstellung zu berichtigen und jene
Erwartung aufzugeben. Denn wir lesen zwar 'siehst du dieses
Schwert, Maid, das schlanke, damaszierte, das ich in der Hand
hier halte?’, aber dann geht es plötzlich weiter: 'das Haupt ab-
hauen vom Halse werd’ ich dir —’. Diese Drohung überrascht
uns nicht nur, sie steht nicht nur in einem auffälligen Verhältnis
zum Vorangehenden, sondern vor allem auch zum Folgenden.
Der Drohende macht nämlich, als die Bedrohte ihm weiter trotzt,
sein Wort nicht wahr, sondern begnügt sich, als sie ihn auf ihren
Vater Gvmir verweist, auch diesem den Tod anzudrohen. Ohne
eine Antwort der Gerd abzuwarten, geht er dann sogleich zu
Drohungen mit Zauber und zu Fluchformeln über. Skirnir hat
sich also vergaloppiert; er tritt den Rückzug an und sucht auf
anderem Wege zum Ziel zu kommen, was ihm denn auch gelingt.
Unleugbar dient dieser Rückzug des Freiers dazu, der stolzen