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Neckel, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1918, 7. Abhandlung): Studien zu den germanischen Dichtungen vom Weltuntergang — Heidelberg, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.37669#0038
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38

Gustav Neckel:

als es bisher geschehen ist. Insbesondere liefern sie die Erklärung
für die erwähnten heidnisch-christlichen Ähnlichkeiten. Ist es
richtig, daß die Germanen von Südosten, also von den Rand-
ländern des Schwarzen Meeres, aus Kleinasien und dem vorderen
Orient schon früh geistig beeinflußt worden sind, so liegen die
Quellen dieser Einflüsse den Quellen der christlichen Überlieferun-
gen nahe genug, um gewisse Vermischungen der Quellbäche be-
greiflich erscheinen zu lassen. Das Christentum ist ja eine synkre-
tistische Religion, eine Frucht des Hellenismus.
Es kommt darauf an, die Richtigkeit dieses Gesichtspunktes
an dem Material selbst nachzuweisen1. Für uns handelt es sich
um Ragnarök, und zwar um diejenigen Stücke dieser Mythen-
gruppe, bei denen Olrik, wie mir scheint, noch eine Ernte ge-
lassen hat: die Muspellssöhne und den Weltbrand, also die Feuer-
motive.
Für den Weltbrand hat Olrik selbst den Stoff in einer Reich-
haltigkeit gesammelt, die vermutlich von Vollständigkeit nicht
weit entfernt ist, jedenfalls für unsere Zwecke die besten Dienste
leistet2. Er hat ihn nur unrichtig beurteilt. Dieser Fehler ist für
Olriks Betrachtungsweise ungemein bezeichnend, und er ist eng
verbunden mit einer richtigen Einsicht, der diejenigen, die ihn
mit Grund bekämpft haben, kaum gerecht geworden sind. Olrik
wollte zeigen, daß der Weltbrand bei den alten Skandinaviern
nicht Volksglaube gewesen ist, daß er nichts zu tun gehabt
hat mit elementaren Befürchtungen und Ahnungen, wie sie sich
in den jütischen Volkssagen von der großen Flut, die alles ver-
nichten soll, so deutlich spiegeln3. Dieser Unterschied zwischen
Wasser- und Feuer-Ragnarök besteht für den Norden wohl wirk-
lich, und er ist aufklärend und interessant genug. Olrik irrte
sich aber, wenn er glaubte, ihn auch aus den Eddaliedern heraus-
lesen zu können. Diese sind in ihrer Gesamtheit — nicht bloß
in einzelnen Vertretern wie der Völuspä — weit weniger Nieder-
schläge des Volksglaubens als eben Literatur; lebendige Religion
ist an ihnen weit schwächer beteiligt als die Phantasie. Man
kann also ruhig zugeben, daß Surts Lohe in den Vafprüönismäl
1 Anderswo werde ich diesen Nachweis für die Baldrsage antreten
deren Untersuchung’ mich zuerst auf die orientalischen Quellen des germani-
schen Heidentums geführt hat.
2 Om Ragnarök 2 (1914).
3 Vgl. Om Ragnarök 1, 19ff.
 
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