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Schubert, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 11. Abhandlung): Der Kommunismus der Wiedertaeufer in Muenster und seine Quellen — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37688#0030
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30

H. von Schubert:

tretenen Auffassung zu suchen haben. Wohl aber wird man
berechtigt sein, in Plato das große Zentralgestirn auch in dieser
Beziehung zu sehen. Man kann sich, etwa an der Hand von Pöhl-
mann, vergegenwärtigen, in wie vielen Formen und Umrahmungen
der Gedanke auftaucht, bei Historikern und in Reisebeschreibun-
gen, bei Dichtern und Denkern, in Staatsromanen und Komödien,
als Idealbild und sozial-politische Forderung, als Legende und
Märchen, in höchster idealistischer Aufmachung und als Äußerung
gemeiner materialistischer Triebe; man wird erstaunen, wie stark
der Gedanke die hellenische Welt bewegte, wobei die Kleinheit
der Verhältnisse besonders ins Gewicht fällt. Aber man wird auch
zumeist und jedenfalls bei den wichtigsten der vorplatonischen Er-
scheinungen finden, daß sie bei Plato eingearbeitet sind, wie die
mores Pythagorei oder die altspartanischen Traditionen, und bei
den bedeutendsten nachfolgenden, daß sie Plato ihre Entstehung
verdanken oder von ihm beeinflußt sind. Auch die Stelle in den
Clementinen ist Geist von seinem Geist, wenn auch in so freier
Anlehnung, daß daraus doch ein anderer Geist wird.
Der Satz, ,,daß allen alles gemein sein soll“, gibt Plato
sehr ungenau wieder. Dieser selbst zitiert das Sprichwort, so oft
er es gerade im „Staate“ anführt, richtig, also nicht „allen“,
sondern „unter Freunden“ (V, 449), und indem er aus dem Wort
„alles“ auch wie hier folgert, daß die Frauengemeinschaft dazu
gehöre (IV, 423/4), fügt er doch hinzu: „soviel wie möglich alles“.
Tatsächlich sind bei ihm aus den Freunden, d. h. den pathQTod
des Pythagoras die Wächter, die cpuZaxzc, seines Idealstaates gewor-
den, aber doch nur diese, nur der herrschende Beamten- und Krieger-
stand, und selbst bei diesen fügt er (III, 416 D) einschränkend hin-
zu : ocv ji.7] ~aaa avayxT], d. h. im Grunde wieder „so viel wie möglich“,
und von ihren Häusern und Vorratskammern, die sie demnach
doch haben, wird nur gesagt, daß jedermann zu ihnen Zugang
haben solle. ln den „Gesetzen“, in denen er den zweitbesten
Staat schildert, gibt Plato zwar seinem Ideal, dem „ersten Staat“,
die Farbe des Vollkommunismus (V, 739 C), hat sich aber im übri-
gen mit der Wirklichkeit soweit abgefunden, daß er nun auch den
Wächtern dasPrivateigentum zugesteht, nur daß er tunlichste Gleich-
heit des Besitzes anstrebt. Man sollte auch nie vergessen, wie leicht
es den antiken Kommunisten gemacht war, sich über die Hemmnisse
hinwegzuschwingen, die sich der idealen Konstruktion eines Staates
freier Bürger entgegen stellen, weil sie in den Sklaven allzeit den
 
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