Der Kommunismus der Wiedertäufer in Münster und seine Quellen. 31
Stand zur Hand hatten, der die Schwerarbeit übernehmen mußte.
Das Urbild der kommunistischen Agitatorin, die freie Bürgerin
Praxagora in Aristophanes’ unsterblichen „Ekklesiazusen“, denkt
nicht daran, sie zu emanzipieren: „das Feld bestellen die Sklaven“
(v. 651 )x ist die einfache Lösung des Arbeitsproblems. Es
muß immerhin als Ergebnis festgestellt werden, daß unser
Kernsatz „allen alles gemeinsam“ schon an seinem Ursprungsort
eine Trübung des Tatbestandes aufweist: er kann nur im allge-
meinen, abgeflachten Sinn als platonisch, kann nur als entstellter
Platonismus gelten.
Er wird auf zweifache Weise begründet; zuerst negativ: das
Privateigentum ist durch Unbilligkeit, die divisio, das Mein und
Dein unter den Menschen per iniquitatem entstanden. Das ist
schon die Meinung Platos. Eben damit begründet er im „Staat“
die Notwendigkeit, Privatbesitz den Wächtern fernzuhalten, denn
dieser bedeutet die ttZsove^oc, das Mehrhabenwollen, die Gewinn-
sucht, den Egoismus, den Streit; in den „Gesetzen“ nimmt er den
Gedanken auf und im Kritias zeichnet er ein ideales Altathen, indem
die Gerechtigkeit herrschte und die Gütergemeinschaft der wehr-
haften Wächter (110 D). Er projiziert also das Bild in den An-
fang der Geschichte, um der gewinnsüchtigen Demokratie seiner
Gegenwart den Spiegel vor zu halten, entwirft ein athenisches
Paradies und greift damit volkstümliche Gedanken auf, die lange
vor ihm sich schon bei Hesiod finden: von einem goldenen Zeit-
alter am Anfänge der Dinge, einem Naturzustand, in dem noch die
Gerechtigkeit, die Gleichheit und damit das Glück herrschten,
und dem sich an zu gl eichen Plato als höchste Weisheit der Poli-
tik erschien1 2. Das sind die Gedanken, die in vielfältiger Weise
weiterwirkten: im. ßloc, 'E/A.dW des Dikaiarch, in den Historien
des Ephoros, besonders doch in der Stoa. Senecas großer, Posi-
donius verarbeitender Brief 90 über die paradiesische Schönheit
des Urzustandes, antequam societatem avaritia destruxit, ist ein
ergreifender Ruf der Sehnsucht nach jener Zeit, da „Schlüs-
sel und Riegel der Habsucht noch nicht ein Zeichen gaben“.
Sie war es, die das inviolatum consortium des glücklichsten
1 Daß es schon zur Zeit des Aristoteles Leute gab, die solche Emanzi-
pation forderten, daß dann sehr reale Versuche dieser Art gemacht wurden,
wie namentlich im Pergamenerreich durch Aristonikus um 130 v. Chr., daß
endlich auch bei den poetischen Nachfolgern der platon. Idealzeichnung wie
im kommunistischen „Sonnenstaat“ des Jambulos die Sklaverei keinen
Platz mehr hat, darüber s. Pöhlmann I, 505 ff. II, 406ff.
2 Leg. IV, 713 AB, Pöhlmann I, 127 (mit falschem Zitat).
Stand zur Hand hatten, der die Schwerarbeit übernehmen mußte.
Das Urbild der kommunistischen Agitatorin, die freie Bürgerin
Praxagora in Aristophanes’ unsterblichen „Ekklesiazusen“, denkt
nicht daran, sie zu emanzipieren: „das Feld bestellen die Sklaven“
(v. 651 )x ist die einfache Lösung des Arbeitsproblems. Es
muß immerhin als Ergebnis festgestellt werden, daß unser
Kernsatz „allen alles gemeinsam“ schon an seinem Ursprungsort
eine Trübung des Tatbestandes aufweist: er kann nur im allge-
meinen, abgeflachten Sinn als platonisch, kann nur als entstellter
Platonismus gelten.
Er wird auf zweifache Weise begründet; zuerst negativ: das
Privateigentum ist durch Unbilligkeit, die divisio, das Mein und
Dein unter den Menschen per iniquitatem entstanden. Das ist
schon die Meinung Platos. Eben damit begründet er im „Staat“
die Notwendigkeit, Privatbesitz den Wächtern fernzuhalten, denn
dieser bedeutet die ttZsove^oc, das Mehrhabenwollen, die Gewinn-
sucht, den Egoismus, den Streit; in den „Gesetzen“ nimmt er den
Gedanken auf und im Kritias zeichnet er ein ideales Altathen, indem
die Gerechtigkeit herrschte und die Gütergemeinschaft der wehr-
haften Wächter (110 D). Er projiziert also das Bild in den An-
fang der Geschichte, um der gewinnsüchtigen Demokratie seiner
Gegenwart den Spiegel vor zu halten, entwirft ein athenisches
Paradies und greift damit volkstümliche Gedanken auf, die lange
vor ihm sich schon bei Hesiod finden: von einem goldenen Zeit-
alter am Anfänge der Dinge, einem Naturzustand, in dem noch die
Gerechtigkeit, die Gleichheit und damit das Glück herrschten,
und dem sich an zu gl eichen Plato als höchste Weisheit der Poli-
tik erschien1 2. Das sind die Gedanken, die in vielfältiger Weise
weiterwirkten: im. ßloc, 'E/A.dW des Dikaiarch, in den Historien
des Ephoros, besonders doch in der Stoa. Senecas großer, Posi-
donius verarbeitender Brief 90 über die paradiesische Schönheit
des Urzustandes, antequam societatem avaritia destruxit, ist ein
ergreifender Ruf der Sehnsucht nach jener Zeit, da „Schlüs-
sel und Riegel der Habsucht noch nicht ein Zeichen gaben“.
Sie war es, die das inviolatum consortium des glücklichsten
1 Daß es schon zur Zeit des Aristoteles Leute gab, die solche Emanzi-
pation forderten, daß dann sehr reale Versuche dieser Art gemacht wurden,
wie namentlich im Pergamenerreich durch Aristonikus um 130 v. Chr., daß
endlich auch bei den poetischen Nachfolgern der platon. Idealzeichnung wie
im kommunistischen „Sonnenstaat“ des Jambulos die Sklaverei keinen
Platz mehr hat, darüber s. Pöhlmann I, 505 ff. II, 406ff.
2 Leg. IV, 713 AB, Pöhlmann I, 127 (mit falschem Zitat).