Der Kommunismus der Wiedertäufer in Münster und seine Quellen. 33
philosophischen Herkunft zurückverfolgt. Indem wir den Weg
wieder vorwärts nehmen, stellen wir sie in die allgemeinen Zu-
sammenhänge, die ihre volle Bedeutung und fortreißende Wucht
erst ins Licht stellen.
Sie würden es zu der autoritativen Geltung nicht gebracht
haben, wenn sie nicht gerade in dem Buche gestanden hätten, das
von Petrus so viel zu erzählen wußte und deshalb ein ausgezeich-
netes Arsenal für den Fälscher von Papstbriefen im 9. Jahrhundert
bot; sie würden es aber auch zu der Ehre dieser Benutzung nicht
gebracht haben, wenn vor ihrer Romanisierung nicht ihre
Katholisierung gestanden hätte. Vielleicht hat schon der katho-
lische Christ, der sie einem Heiden in den Mund legte, von seinem
Eigenen hinzugetan. Denn die eigentümliche Formulierung der
letzten Partie läßt sich weit besser als aus Seneca aus Cyprians
de opere et eleemosynis c. 25 belegen1, so daß die oben offengelassene
Frage an Bedeutung gewinnt, ob nicht der Redaktor des 4. Jahr-
hunderts mehr als der Verfasser des Clemensromans hier ins Spiel zu
ziehen und ihm die Formulierung an dieser Stelle zuzuschreiben ist.
Jedenfalls tritt darin nur zutage, daß die hier zusammen-
gestellten Gedanken sich auch christlich-katholisch verstehen und
also verwenden ließen. Freilich nicht ohne Verschiebung. Es
ist in diesem einzelnen Falle nur wieder die allgemeine Beobach-
tung zu machen: indem das heidnische Gut christianisiert wird,
wird das Christentum hellenisiert.
Auch das Christentum hatte seine Lehre von einem idealen
Urzustand, in dem es Sünde noch nicht gab und der unschuldige
Mensch an dem Busen der überreichlich spendenden Natur lag.
Genesis 1, 26ff. war es zu lesen, daß Gott im Paradies alles dem
Menschen, seinem Ebenbild, untertan machte, und Psalm 8, 6—9
bestätigte das. Von Gütergemeinschaft dabei zu reden war freilich
deshalb unangebracht, weil es sich nur um das erste Menschen-
paar handelt. Aber hier eben setzt deutlich die umbiegende Ver-
schmelzung — natura omnia omnibus in commune profudit — durch
den Einfluß der griechisch-römischen Philosophie ein. Er ist wohl
1 Quodcumque enim Dei est in nostra usurpatione commune est, nec
quisquam a beneficiis eius et muneribus arcetur quominus omne humanum genus
bonitate cic largitate divino aequaliter perfruatur. Sic aequaliter dies luminat, sol
radiat, imbet■ rigat, ventus adspirat et dormientibus somnus unus est et stellarum
splendor ac lunae communis est. Quo aequalitatis exemplo qui possessor in terris
reditus ac fructus suos cum fraternitate partitur, dum largitionibus gratuitis
communis ac iustus est, Dei patris imitator est.
Sitzungsberichte der Heidelb. Akademie, philos.-hist. Kl. 1919. 11. Abh.
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philosophischen Herkunft zurückverfolgt. Indem wir den Weg
wieder vorwärts nehmen, stellen wir sie in die allgemeinen Zu-
sammenhänge, die ihre volle Bedeutung und fortreißende Wucht
erst ins Licht stellen.
Sie würden es zu der autoritativen Geltung nicht gebracht
haben, wenn sie nicht gerade in dem Buche gestanden hätten, das
von Petrus so viel zu erzählen wußte und deshalb ein ausgezeich-
netes Arsenal für den Fälscher von Papstbriefen im 9. Jahrhundert
bot; sie würden es aber auch zu der Ehre dieser Benutzung nicht
gebracht haben, wenn vor ihrer Romanisierung nicht ihre
Katholisierung gestanden hätte. Vielleicht hat schon der katho-
lische Christ, der sie einem Heiden in den Mund legte, von seinem
Eigenen hinzugetan. Denn die eigentümliche Formulierung der
letzten Partie läßt sich weit besser als aus Seneca aus Cyprians
de opere et eleemosynis c. 25 belegen1, so daß die oben offengelassene
Frage an Bedeutung gewinnt, ob nicht der Redaktor des 4. Jahr-
hunderts mehr als der Verfasser des Clemensromans hier ins Spiel zu
ziehen und ihm die Formulierung an dieser Stelle zuzuschreiben ist.
Jedenfalls tritt darin nur zutage, daß die hier zusammen-
gestellten Gedanken sich auch christlich-katholisch verstehen und
also verwenden ließen. Freilich nicht ohne Verschiebung. Es
ist in diesem einzelnen Falle nur wieder die allgemeine Beobach-
tung zu machen: indem das heidnische Gut christianisiert wird,
wird das Christentum hellenisiert.
Auch das Christentum hatte seine Lehre von einem idealen
Urzustand, in dem es Sünde noch nicht gab und der unschuldige
Mensch an dem Busen der überreichlich spendenden Natur lag.
Genesis 1, 26ff. war es zu lesen, daß Gott im Paradies alles dem
Menschen, seinem Ebenbild, untertan machte, und Psalm 8, 6—9
bestätigte das. Von Gütergemeinschaft dabei zu reden war freilich
deshalb unangebracht, weil es sich nur um das erste Menschen-
paar handelt. Aber hier eben setzt deutlich die umbiegende Ver-
schmelzung — natura omnia omnibus in commune profudit — durch
den Einfluß der griechisch-römischen Philosophie ein. Er ist wohl
1 Quodcumque enim Dei est in nostra usurpatione commune est, nec
quisquam a beneficiis eius et muneribus arcetur quominus omne humanum genus
bonitate cic largitate divino aequaliter perfruatur. Sic aequaliter dies luminat, sol
radiat, imbet■ rigat, ventus adspirat et dormientibus somnus unus est et stellarum
splendor ac lunae communis est. Quo aequalitatis exemplo qui possessor in terris
reditus ac fructus suos cum fraternitate partitur, dum largitionibus gratuitis
communis ac iustus est, Dei patris imitator est.
Sitzungsberichte der Heidelb. Akademie, philos.-hist. Kl. 1919. 11. Abh.
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