Der Kommunismus der Wiedertäufer in Münster und seine Quellen. 47
das er in der „Gemeinschaft der Heiligen“ fast vollständig bringt
mit seinem Durcheinander von Naturkategorien, ethischen Prin-
zipien und philosophischen Sätzen, all den Gemeinplätzen aus den
Vätern und natürlich Act. (2 und) 4, welche Musterstelle er denn
direkt durch die spekulativ-ethische Theorie der Deutschen Theo-
logie bestätigt findet: „Daher hat der h. Geist in der ersten Kirchen
in seiner reinen Gemein alle Ding gemein gemacht“.
Es konnte nicht ausbleiben, daß, als erst die Arbeit der Hu-
manisten auf weitere Kreise zu wirken und die allgemeine Reform
auch unter unmittelbar der Antike entnommenen Gesichtspunkte
zu bringen begann, sich auch die von uns registrierten kommuni-
stischen Theorien und Gedankenansätze antiker Philosophen, zu-
mal des Plato selbst, mit den verwandten Stimmungen verbanden
und sie, im Grunde aus derselben Quelle, neu speisten. Der Ein-
fluß des Erasmus, der selbst seine Erziehung bei den „Brüdern
vom gemeinsamen Leben“ erhalten hatte und zu dem eine kräftige
Linie von der devotio moderna über Seneca läuft1, war nicht nur
in den Niederlanden und der Schweiz, sondern auch im Jülichschen
besonders stark2. Sebastian Franck zieht gerade in dem behandel-
ten Stück der Geschichtsbibel seine Exegese von Act. 4 in Anno-
tationes und Paraphrase und zum Schluß seine Adagia an. Trotz-
dem, so gewiß ohne die Einflüsse der neuen platonischen Akademie
in Florenz, Golets und Erasmus’ die Utopia des Thomas Morus,
die die Gattung der platonisierenden Staatsromane aus Gründen
praktischer Politik wieder aufnahm, 1516 nicht geschrieben wäre —
- klare Zeugnisse des Erasmus selbst für eine kommunistische
Tendenz und ihre Wirkung auf die Zeitgenossen lassen sich nicht
beibringen. Was Schönebaum anführt, beruht auf einem Miß-
verständnis3. Daß das erneuerte Studium Platos und der verwand-
1 Mestwerdt, Anfänge des Erasmus (Stud. zur Gesch. u. Kultur d.
Ref. [=Quellen u. Forschungen z. Ref.-Gesch.], Bd. II, 1917), S. 93ff., 147 ff.,
nam. 223 ff.
2 Vgl. Rembert, Wiedertäufer im Hzgt. Jülich, S. 22ff., wo neben den
allgemein befreienden Momenten besonders die mit dem Täufertum gemein-
samen, auch die in der Abendmahlsauffassung aufgewiesen sind.
3 Die Stelle, die übrigens falsch zitiert ist (Opera IX, 1090, nicht 1070),
besagt genau das, was der dafür angerufene Aristoteles auch meint, nämlich
die Notwendigkeit eines Gebrauchs des Eigentums zum gemeinen Besten,
also den uneigentlichen Liebeskommunismus der Kirchenväter, mit denen er
sich ganz eins weiß. Er lehnt ausdrücklich ab, in den angefochtenen Sätzen,
enchir. can. 6, gesagt zu haben, nullam esse proprietatem.
das er in der „Gemeinschaft der Heiligen“ fast vollständig bringt
mit seinem Durcheinander von Naturkategorien, ethischen Prin-
zipien und philosophischen Sätzen, all den Gemeinplätzen aus den
Vätern und natürlich Act. (2 und) 4, welche Musterstelle er denn
direkt durch die spekulativ-ethische Theorie der Deutschen Theo-
logie bestätigt findet: „Daher hat der h. Geist in der ersten Kirchen
in seiner reinen Gemein alle Ding gemein gemacht“.
Es konnte nicht ausbleiben, daß, als erst die Arbeit der Hu-
manisten auf weitere Kreise zu wirken und die allgemeine Reform
auch unter unmittelbar der Antike entnommenen Gesichtspunkte
zu bringen begann, sich auch die von uns registrierten kommuni-
stischen Theorien und Gedankenansätze antiker Philosophen, zu-
mal des Plato selbst, mit den verwandten Stimmungen verbanden
und sie, im Grunde aus derselben Quelle, neu speisten. Der Ein-
fluß des Erasmus, der selbst seine Erziehung bei den „Brüdern
vom gemeinsamen Leben“ erhalten hatte und zu dem eine kräftige
Linie von der devotio moderna über Seneca läuft1, war nicht nur
in den Niederlanden und der Schweiz, sondern auch im Jülichschen
besonders stark2. Sebastian Franck zieht gerade in dem behandel-
ten Stück der Geschichtsbibel seine Exegese von Act. 4 in Anno-
tationes und Paraphrase und zum Schluß seine Adagia an. Trotz-
dem, so gewiß ohne die Einflüsse der neuen platonischen Akademie
in Florenz, Golets und Erasmus’ die Utopia des Thomas Morus,
die die Gattung der platonisierenden Staatsromane aus Gründen
praktischer Politik wieder aufnahm, 1516 nicht geschrieben wäre —
- klare Zeugnisse des Erasmus selbst für eine kommunistische
Tendenz und ihre Wirkung auf die Zeitgenossen lassen sich nicht
beibringen. Was Schönebaum anführt, beruht auf einem Miß-
verständnis3. Daß das erneuerte Studium Platos und der verwand-
1 Mestwerdt, Anfänge des Erasmus (Stud. zur Gesch. u. Kultur d.
Ref. [=Quellen u. Forschungen z. Ref.-Gesch.], Bd. II, 1917), S. 93ff., 147 ff.,
nam. 223 ff.
2 Vgl. Rembert, Wiedertäufer im Hzgt. Jülich, S. 22ff., wo neben den
allgemein befreienden Momenten besonders die mit dem Täufertum gemein-
samen, auch die in der Abendmahlsauffassung aufgewiesen sind.
3 Die Stelle, die übrigens falsch zitiert ist (Opera IX, 1090, nicht 1070),
besagt genau das, was der dafür angerufene Aristoteles auch meint, nämlich
die Notwendigkeit eines Gebrauchs des Eigentums zum gemeinen Besten,
also den uneigentlichen Liebeskommunismus der Kirchenväter, mit denen er
sich ganz eins weiß. Er lehnt ausdrücklich ab, in den angefochtenen Sätzen,
enchir. can. 6, gesagt zu haben, nullam esse proprietatem.