Der Kommunismus der Wiedertäufer in Münster und seine Quellen. 51
Gefängnis zu Straßburg bereits angelangt war, wurde nicht
eigentlicher Chialismus verkündet, aber schon seine „Weissagung
aus heiliger göttlicher Schrift“ aus dem Jahre 1530 war im
wesentlichen nichts anderes als eine Auslegung von Apokalypse
c. (9 und) 20, nur daß es das neue Jerusalem selbst ist, dessen
Ankunft unmittelbar vor der Tür steht, zur Zeit der 7. Posaune,
ja schon zur Zeit der 6. wird es seinen Anfang nehmen, und wenn
es auch auf den geistlichen Handel gerichtet ist, wird es doch
im Leiblichen vollendet werden. Und in der ebenfalls 1530 ge-
schriebenen „Ordinantie“ gewinnt dieser Gedanke Halt durch den
anderen der Bundesbruderschaft, die am Ende der Tage in Christi
Gemeinschaft vollenden solle, was die Apostel in Christi Gemein-
schaft begonnen, aber ihre Nachfolger nicht fortgesetzt haben1.
Was Hofmann selbst noch fern lag, wurde blitzartig lebendig,
als in Münster sich die Scharen der Heiligen sammelten und anstelle
Straßburgs hier das neue Jerusalem sichtlich erstand.
Es ist gewiß anzunehmen, der merkwürdige Umstand, daß
von verschiedensten Seiten das Jahr 1533, und speziell der Herbst
als die Zeit des Anbruchs prophezeit war, trug zur Entfesselung
der Extase bei; nicht nur Melchior Hofmann selbst hatte schon
1526 dies Jahr bezeichnet, auch andere Wiedertäufer, namentlich
aber auch Michael Stiefel, der Pfarrer v. Lochau, ein Schüler
Wittenbergs und Freund Luthers, der das große Ereignis genau
auf den 19. Oktober 1533 morgens um 8 Uhr festsetzte2. In diesen
Monaten begann nach Kerssenbrochs Angaben Bernt Rothmann
den Chiliasmus nach Apok. 20 zu verkünden — ist es so unwahr-
scheinlich ? Die Gegner verstanden jedenfalls die Predigt der
Münsterschen Täufer als Chiliasmus3. Gewiß war das alles schon
der Schritt zur Separation, zur Sonderung von den Unreinen
unter den Bundeszeichen von „doepe und abendmahl“ als „Losun-
gen“4 zur Aufnahme und Durchführung des wahren apostolischen
1 Zur Linden S. 194ff., 240ff.
2 Rembert S. 361, Anm. 3; Köstlin-Kawerau, Luthers Leben5 II,
322ff. Übrigens hatte Luther selbst 1521 gemeint, daß 1534 das Ende wohl
eintreten werde.
3 Kerssenbroch S. 419, Gresbeck S. 103 unter den Uachristl. Artikeln
der Wiedertäufer Nr. 21: Und sie weren Christes in wachten. Die solde
ut dem Himmel khomen up dat ertricke und solde thusent iair mit innen up
erden gain. Vgl. Gresbeck S. 82.
4 Es ist eine sehr richtige Bemerkung von Cornelius, Gesch. des Auf-
ruhrs usw. II 28, daß schon die einfache Tatsache der Wiedertaufe, die
4*
Gefängnis zu Straßburg bereits angelangt war, wurde nicht
eigentlicher Chialismus verkündet, aber schon seine „Weissagung
aus heiliger göttlicher Schrift“ aus dem Jahre 1530 war im
wesentlichen nichts anderes als eine Auslegung von Apokalypse
c. (9 und) 20, nur daß es das neue Jerusalem selbst ist, dessen
Ankunft unmittelbar vor der Tür steht, zur Zeit der 7. Posaune,
ja schon zur Zeit der 6. wird es seinen Anfang nehmen, und wenn
es auch auf den geistlichen Handel gerichtet ist, wird es doch
im Leiblichen vollendet werden. Und in der ebenfalls 1530 ge-
schriebenen „Ordinantie“ gewinnt dieser Gedanke Halt durch den
anderen der Bundesbruderschaft, die am Ende der Tage in Christi
Gemeinschaft vollenden solle, was die Apostel in Christi Gemein-
schaft begonnen, aber ihre Nachfolger nicht fortgesetzt haben1.
Was Hofmann selbst noch fern lag, wurde blitzartig lebendig,
als in Münster sich die Scharen der Heiligen sammelten und anstelle
Straßburgs hier das neue Jerusalem sichtlich erstand.
Es ist gewiß anzunehmen, der merkwürdige Umstand, daß
von verschiedensten Seiten das Jahr 1533, und speziell der Herbst
als die Zeit des Anbruchs prophezeit war, trug zur Entfesselung
der Extase bei; nicht nur Melchior Hofmann selbst hatte schon
1526 dies Jahr bezeichnet, auch andere Wiedertäufer, namentlich
aber auch Michael Stiefel, der Pfarrer v. Lochau, ein Schüler
Wittenbergs und Freund Luthers, der das große Ereignis genau
auf den 19. Oktober 1533 morgens um 8 Uhr festsetzte2. In diesen
Monaten begann nach Kerssenbrochs Angaben Bernt Rothmann
den Chiliasmus nach Apok. 20 zu verkünden — ist es so unwahr-
scheinlich ? Die Gegner verstanden jedenfalls die Predigt der
Münsterschen Täufer als Chiliasmus3. Gewiß war das alles schon
der Schritt zur Separation, zur Sonderung von den Unreinen
unter den Bundeszeichen von „doepe und abendmahl“ als „Losun-
gen“4 zur Aufnahme und Durchführung des wahren apostolischen
1 Zur Linden S. 194ff., 240ff.
2 Rembert S. 361, Anm. 3; Köstlin-Kawerau, Luthers Leben5 II,
322ff. Übrigens hatte Luther selbst 1521 gemeint, daß 1534 das Ende wohl
eintreten werde.
3 Kerssenbroch S. 419, Gresbeck S. 103 unter den Uachristl. Artikeln
der Wiedertäufer Nr. 21: Und sie weren Christes in wachten. Die solde
ut dem Himmel khomen up dat ertricke und solde thusent iair mit innen up
erden gain. Vgl. Gresbeck S. 82.
4 Es ist eine sehr richtige Bemerkung von Cornelius, Gesch. des Auf-
ruhrs usw. II 28, daß schon die einfache Tatsache der Wiedertaufe, die
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