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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 12. Abhandlung): Das Mandäische Buch des Herrn der Größe und die Evangelienüberlieferung — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37689#0007
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Das mandäische Buch des Herrn der Größe.

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wendig annehmen mußten —, bestätigte sich dabei und ein neues
Problem tauchte auf: eine Anzahl dieser doppelt belegten Bilder
und Worte kehrte in den paulinischen und nachpaulinischen
Schriften wieder. Auf sie hatte ich schon in den Büchern Poi-
mandres und Hellenistische Mysterienreligionen, ihre Grund-
gedanken und Wirkungen, besonders geachtet, ihre Entlehnung
behauptet, aber eine mich selbst befriedigende Erklärung nicht
finden können1. Jetzt, wo diese Bilder und Worte sich in ihrer
Mehrzahl einem bestimmten Gedankenzusammenhang, dem Un-
sterblichkeitsglauben und der Eschatologie, einordneten und aus
einem einheitlichen Ursprung erklärbar schienen, konnte sich die
Lösung bieten, wenn es möglich war, die Übernahme schon einer
bestimmten Schicht des Judentums zuzuweisen. Daß jüdische
Jenseitshoffnung und jüdische Eschatologie von der iranischen
beeinflußt sein können, ist von vielen Seiten längst zugegeben;
es würde sich nur darum noch handeln, die Beweise dafür, daß es
wirklich geschehen ist, zu verstärken. Der Gegensatz zu heben
und von mir geschätzten theologischen Forschern würde sich dabei
in einer höheren Einheit auflösen, aber freilich die Anstößigkeit,
die solche Arbeit für andere hat, noch vermehren. Denn gerade
wenn das Judentum die Vermittlung geboten hat, handelt es sich
nicht mehr um formelle Entlehnungen, die nur indirekt auf deu
Redenden selbst zurückwirken, sondern — um die Dinge offen
und scharf zu bezeichnen — um sachliche Abhängigkeit, eine aller-
dings nicht unmittelbare Übernahme von Vorstellungen.
Doch, bevor diese Fragen sich in Angriff nehmen ließen, galt
es einem anderen Bedenken zu begegnen. Mani hat die christ-
lichen Schriften schon gekannt, und seine Anhänger haben sie z. T.
sehr gründlich studiert. Die mandäische Literatur ferner zeigt
zwar nur wenig direkte Einwirkungen von ihnen2, aber sie ist in
ihrer letzten Ausgestaltung jung — der Genzä erst in dem Jahr-
hundert nach Muhammed abgeschlossen —, und unbewußte Ein-
1 Daß wir Teilnahme an den Mysterien für Paulus nicht annehmen
dürfen, war selbstverständlich, eine Rückwirkung aus den Gemeinden auf
ihn denkbar, aber zur vollen Erklärung sicher nicht genügend. So blieb
scheinbar nur die literarische Einwirkung hellenistischer Erbauungsliteratur.
Das Äußerliche und Unbefriedigende, das dieser Erklärung, wenn sie allein
bleibt, anhaftet, verkannte ich nicht, sah aber damals keine andere Möglich-
keit einer Erklärung.
2 Etwas mehr von den jüdischen, doch mangelt es bisher an methodi-
schen Vorarbeiten.
 
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