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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 12. Abhandlung): Das Mandäische Buch des Herrn der Größe und die Evangelienüberlieferung — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37689#0008
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R. Reitzenstein:

Wirkungen des Christentums könnten stattgefunden haben. Die
Frage muß auftauchen, ob es außer jenen Übereinstimmungen der
manichäischen und mandäischen Lehren noch äußere Hilfsmittel
gibt, vorchristliches Gut in der mandäischen Literatur, die ja in
unendlich viel reicherem Umfang vorliegt, auszusondern. Diese
Frage aber muß dem Philologen eine Aufgabe stellen, für die er
besonders geschult ist: offenbar müssen eine Anzahl Texte, zu
denen wir iranische Gegenbilder haben, ähnlich untersucht wer-
den, wie wir etwa die Komposition der Ilias untersuchen. Das
geht hier leichter und sicherer, weil die Bearbeiter nicht Künstler
und Dichter, sondern handwerksmäßig schreibende Priester sind.
Ihre Technik ist leicht zu durchschauen: fast jeder kürzt — schon
aus Bequemlichkeit — den alten Text, soweit ihm möglich scheint,
und exzerpiert mehr als er kopiert, und fast jeder macht ihn seiner
Zeit und ihren Bedürfnissen genehm, indem er neue Stücke ein-
fügt oder zwei Texte ineinander arbeitet.
Die an sich unerfreuliche Untersuchung gewinnt an Bedeutung,
sobald wir bedenken, daß dies Verfahren in der religiösen Tradition
einer Anzahl orientalischer Völker zu verfolgen ist. Jene griechisch
verfaßte heilige Schrift einer uns unbekannten Gemeinde der
ägyptischen Diaspora, die uns in der Kosmogonie des Abraxas
erhalten und von mir in der Abhandlung über die Göttin Psyche
analysiert ist, zeigt dieselbe Überlieferungsart. Noch näher an die
religiöse Auffassung der Bedeutung dieser Abschriften1 würden
wir vielleicht kommen, wenn wir die Überlieferung des altägypti-
schen Totenbuches verfolgten, die mir Prof. Sethe charakteri-
sierte. Jeder Kopist ist zugleich Redaktor und fühlt sich noch
immer etwas als Träger der Offenbarung2. Nur so läßt sich die
scharfe Polemik erklären, die gerade in den mandäischen heiligen
1 Sie sollen Sündenerlaß für den Besteller und den Schreiber bewirken,
lassen sich also insofern mit den magischen Schriften vergleichen.
2 Für die jungägyptische Hermesliteratur, die auch zahlreiche Zusätze
und Umgestaltungen der einzelnen Schreiber zeigt, darf ich auch hier auf
die Schilderung eines Imuthes-Dieners im Oxyrh. Pap. 1381 verweisen. Er
will ein altes heiliges Buch seines Gottes ins Griechische übersetzen, schildert
seine Bedenken wegen der ungeheuren Schwierigkeit und Verantwortlichkeit
der Aufgabe, tröstet sich aber, daß er sie mit des Gottes Hilfe schon einmal
gelöst habe, und beschreibt seine Tätigkeit dabei: xod yap tov xoct^otoi-
tap TüittavoAoyTjh-sVTa. gü-9-ov .... <puaixcö 7rp6p dXrjh-Eiav av/jirXcocra Xoycp xcd ev
T?j oAy) ypacpf) to ptiv uarepouv (so zu schreiben, ucrarpov Pap. Edd.) TtpoasWiQ-
pcocroc, to Sk -EpiacTEÖov äcpstXov, Sirjyrjgoc 8s tcote gaxpoXoyoügsvov (8sttou piaxpoXo-
yougsv. . Pap. Vielleicht wäre 8e 7roXugaxpöXoyoüpt.Evov denkbar) aovTÖpt/oc sXaX?)aa.
 
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