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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 12. Abhandlung): Das Mandäische Buch des Herrn der Größe und die Evangelienüberlieferung — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37689#0032
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32

R. Reitzenstein:

Sie werden mit Speise gelabt und aus dem Ort der Finsternis
zum Orte des Lichts erlöst1.
Der Totenkult, auf den III 23 so nachdrücklich verwiesen
wird, hat die ursprünglich mythologischen Texte verallgemeinert
und zugleich aus dem Zusammenhänge gelöst, der in den Schil-
derungen einer Wanderung durch die sieben Straforte (vgl. oben
S. 25) meist noch deutlich ist. Die Himmelfahrt des Gottes be-
zeichnet das Ende eines Aions. Denn natürlich muß mit der Zer-
trümmerung des Firmaments, der Lähmung der die Sphären be-
herrschenden Planetengötter und dem Entfliehen des göttlichen
Lebensprinzipes aus der Welt diese selbst zugrunde gehen. Das
wird in jenen ausführlichen Schilderungen, von denen ich ausging,
immer wieder betont. Die Lichtwelt steigt dann nieder und um-
faßt von jetzt an alles; die Götter, die sich einst zur Materie ge-
neigt hatten und daher von der eigentlichen Lichtwelt getrennt
hausen mußten (Jösamin, Abathur, Ptahil), werden wieder mit
ihr vereint; der göttliche Gesandte hat in Voraussicht dessen
ihnen schon bei seinem Aufstieg die Begnadigung verheißen.
1 In den mandäischen Texten fügen sich die-Gefängnishüter ohne
weiteres dem schriftlich vorgewiesenen Befehl des göttlichen Befreiers. Die
manichäischen dagegen wissen von einem Kampf. So verkündet in einem
rein iranischen ,,Erweckungsliede“, dessen Kenntnis ich der besonderen .Güte
Prof. F. W. K. Müllers verdanke (M. 175), der göttliche Bote der in der
Welt zurückgebliebenen Seele: „Und die Götter deinetwegen sind ausgezogen
und erschienen Und haben vernichtet den Tod und die Finsternis getötet.“
Es ist die übliche Fassung des Gedankens da, wo die Welt selbst als das
Gefängnis gefaßt wird. Jene Befreiung der Gefangenen ist ein im Orient
damals so.oft und so verschiedenartig behandeltes Thema, daß verschiedene
Typen auf die frühchristliche Literatur einwirken mußten. Die Stelle des ersten
Petrusbriefes gibt ja nicht den Ausgangspunkt für die christliche Ausgestaltung;
nur darf man sie auch nicht beiseite schieben. Wenn ferner in dem lateinischen
Zusatz zur Weisheit Sirachs der Weisheit eine Hadespredigt zugeschrieben
wird (Bousset, Kyrios Christos 34, 1). so wird auch das sich erklären, wenn
wir sehen werden, daß schon auf iranischem Boden die Weisheit dem gött-
lichen Gesandten (dem "Avü-pöTuop) gleichgesetzt ist und daß das Judentum
das übernommen hat; Sieayias qjpaypöv töv iZ, cdwvop pp cyiüüsvTa (in den
Thaddaeusakten, Bousset S. 35) stimmt fast wörtlich zu zahlreichen mandä-
ischen Texten; das apokryphe Zitat des Clemens sISop pev aüroö oüx
sl'Sopsv, <p«v7)v 8k auTou Tjxoöaapsv (Bousset S. 33, 1) kehrt bei dem
Niederstieg des Urmenschen und in zahlreichen „Erweckungstexten“ der
Mandäer wie der Manichäer wieder, z. B. (nach gütiger Mitteilung von Prof,
v. Le Coq) T. M. 423 d: „Seine Stimme habe ich gehört, so seinen Körper
habe ich durchaus nicht gesehen.“ Die einschlägigen Oden Salomos endlich
lassen sich ganz mit mandäischen und manichäischen Texten vergleichen.
 
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