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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 12. Abhandlung): Das Mandäische Buch des Herrn der Größe und die Evangelienüberlieferung — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37689#0053
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Das mandäische Buch des Herrn der Größe.

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Müller verdanke (M. 727), heißt es von dem Gerichts- oderTodes-
tage: ,,Und Bestechung, Gabe, Schmeichelei helfen nicht an jenem
Tage der Gefahr. Das Abbild des Vaters, die Jungfrau des
Lichtes, ist der, welcher helfen wird an jenem Tage.“ ln den ver-
wandten mandäischen Texten und bei Philo ist der vAvhp(.o”o^
immer dies Abbild — er ist 6 koct’ slxovoc avhpcoTroc — und sein
Name Mandä d’Haije (yvofaic hsou, siehe oben S. 48). Es ist
ähnlich, wenn in M. 285 nach Prof. F. W. K. Müllers gütiger
Mitteilung die Jungfrau des Lichtes die Gebundenen aus ihren
Banden erlösen wird, wie das bei den Kantäern (oben S. 28) der
„Sohn des Lichtes“’, bei den Mandäern der erste Mensch oder
Mandä d’Haije tut1.
Das bringt freilich eine seltsame Überraschung: jener oben
S. 32, 1 erwähnte Zusatz der lateinischen Übersetzung der Weisheit
Sirachs (nach 24, 32) entspricht einer innerasiatischen Tradition!
Wir müssen versuchen, die Entwicklung dieser Vorstellung zu
erraten.
In dem ersten Teil der Sprüche Salomos wird bekanntlich
Kap. 9 beschrieben, wie die Weisheit ihr Haus auf sieben Säulen
1 Der Iiochzeitshymnus der Thomasakten wendet sich natürlich eben-
falls an diese „Tochter des Lichtes“. Sie wird im Schluß des griechischen
Textes, der an dieser Stelle besser ist, deutlich als die Weisheit bezeichnet;
ihr Festmahl erklärt das Mahl der Weisheit in den Sprüchen Salomos; auch
hier erhalten die Gerechten Himmelsnahrung und trinken lebendiges Wasser.
Der Hochzeitshymnus ist wie der Seelenhymnus dieser Akten nicht man/i-
chäisch, wenn er auch auffällig viel Begriffe und Formeln enthält, die auch
manichäisch sind (vgl. hierzu Bousset, Zeitschrift für die neutestamentliche
Wissenschaft XVIII 1917 S. 1 ff.). Die beste Erklärung geben die Hochzeits-
lieder der Mandäer, die mir durch Prof. Tidzbarskis Güte bekannt wurden.
Freilich erwähnen sie nur den Bräutigam, aber sie bezeichnen ihn als den
jungen König ( Königssohn) und setzen ihn gleich dem Mandä d’Haije, oder
vielmehr beschreiben, wie dieser als der erste Bräutigam die einzelnen Teile
der rituellen Hochzeitskleidung anlegt. Der kpop yocy-oc, ist für die irdische
Hochzeit vorbildlich. Der Gedanke würde dem Manichäer kaum möglich
sein; wir dürfen ihn als vormanichäisch fassen; daß der Gott mit der Göttin
abwechselt, darf nicht befremden. Tatsächlich hat E. Pu kusch eis in seiner
Studie ‘Zwei gnostische Hymnen’ Gießen 1904 S. 40 das Richtige gesehen;
die Braut ist wirklich die £o<pia -9-sou. Nur behält auch der Verweis auf
den heutigen Volksbrauch in Syrien, in dem Bräutigam und Braut als das
junge Königspaar erscheinen (vgl. Preusci-ien S. 29), daneben seine Be-
rechtigung. Alte liturgische Formeln und Bräuche wirken hier nach. Auch
für den Seelenhymnus der Akten bietet jene Studie Preuschens viel Richtiges.
Nur ist ursprünglich nicht der christliche, sondern der iranische Erlöser
gemeint. Ich werde darauf an anderer Stelle zurückkommen.
 
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