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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 12. Abhandlung): Das Mandäische Buch des Herrn der Größe und die Evangelienüberlieferung — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37689#0058
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58

R. Reitzen stein :

Es wäre reizvoll zu verfolgen, wie schon der griechische Über-
setzer der Sprüche Salomos die Anklänge an die iranischen Vor-
stellungen verstärkt und auch die Genzä r. XV 11 (oben S. 33)
erhaltene Sage mit hereingezogen hat, die dann wieder Henoch.
42,1.2 umbildet: die Weisheit hat keine Stätte auf der Erde
gefunden, so kehrt sie in den Himmel zurück1. Es ist bezeichnend,
daß gerade in Quelle 0 Jesus, indem er sich als den barnäscha
bezeichnet, auf diese Anschauung zurückzugreifen scheint (Matth.
8, 20 = Luk. 9, 58), wie denn auch nur in dieser Quelle von den
Gesandten als Kindern der Weisheit gesprochen wird (Matth. 1:1, 19
=' Luk. 7, 35). Einen Zusammenhang der Vorstellungen von dem
Urmenschen und der Weisheit fühlen wir ja immer wieder2, und
noch in die christianisierte Urmenschenlehre der Clementinen, die
Lehre von dem wahren Propheten, geht die Vorstellung von den
sieben Säulen im Hause der Weisheit, freilich in Umdeutung auf
die sieben Gerechten, also die Kinder der aoma, Adam, Henoch,
Noah, Abraham, Isaak, Jakob und — Moses über. Doch werde
ich einzelnes in der Abhandlung über das iranische Erlösungs-
mysterium zu besprechen haben und hoffe, daß schon jetzt der
gleiche Ursprung für die Vorstellungen vom Urmenschen und der
Weisheit erwiesen ist. Es kann nicht befremden, wenn in der
verlorenen jüdischen Vorlage der Evangelienquelle Q, zu der ich
endlich zurückkehre, die 0091a für den mandäischen Enös einge-
setzt ist, und doch bei der Erwähnung der Wiederkunft nur von dem
mit ihr kommenden Messias die Rede ist. Beide sind unzertrennlich.
Die beiden Prophezeiungen, die mandäische und die jüdische,
bezw. christliche verlaufen völlig gleichmäßig (Bericht über den
Mord kurz vor der Zerstörung: Weissagung der Zerstörung der
Stadt, der Auffahrt und der Parusie); unabhängig von einander
können sie gar nicht sein. Hat der Mandäertext, der uns ja nur
in kläglicher Verkürzung und, wo er vollständiger ist, in jungen
Überarbeitungen vorliegt, die Evangelienquelle benutzt? Der
chronologische Irrtum der Evangelienquelle bliebe dabei unerklärt,
und man müßte fast annehmen, daß der mandäische Autor ihn
bemerkte und stillschweigend korrigierte. Oder hat ein jüdisches
Gegenbild, eben jene Schrift der 00910. hsoö, für eine blutige
Unterdrückung der Jünger des Enös die Greueltaten der Idumäer
1 Das irdische Jerusalem ist nicht ihre Heimat.
2 Man denke an den mannweiblichen Urmenschen Philos oder den
Mandä d’Haije der Mandäer.
 
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