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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 12. Abhandlung): Das Mandäische Buch des Herrn der Größe und die Evangelienüberlieferung — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37689#0060
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60

R. Reitzen stein :

liehen Prediger Johannes den Täufer nennt. Diese Erwägung
wird sofort durch eine zweite Stelle1 bestätigt, in der sich die
neue, nicht christliche Apokalypse mit der Evangelienquelle be-
rührt.
Die mandäische Apokalypse verkündet (48, 12 ■•= 88, 3)
,,Enös-Uthra kommt in die Welt. Mit der Kraft des hohen Licht-
königs heilt er die Kranken. Er macht die Blinden sehend,
reinigt die Aussätzigen, richtet die Verkrüppelten, auf
dem Boden Kriechenden2 auf, daß sie gehen können,
und macht die Taubstummen redend. Mit der Kraft des
hohen Lichtkönigs3 belebt er die Toten und gewinnt Gläubige
unter den Juden und zeigt ihnen: es gibt Tod und es gibt Leben,
es gibt Finsternis und es gibt Licht, es gibt Irrtum und es gibt
Wahrheit4. Er bekehrt die Juden zum Namen des hohen Licht-
königs.“ Die gesperrt gedruckten Worte schieben sich als freies
Zitat in einen ursprünglichen Zusammenhang, der durch den
strengen Parallelismus der Glieder hervorgehoben wird: mit der
Kraft des hohen Lichtkönigs heilt er die Kranken, mit der Kraft
des hohen Lichtkönigs belebt er die Toten. Das eingelegte Zitat
stammt aus Jesajas 35, 5 „Dann werden sich die Augen der Blin-
den auftun und die Ohren der Tauben sich öffnen. Dann wird
der Lahme springen wie ein Hirsch und der Stumme wird jauchzen“
(E. Kautzsch, Textbibel). Voraus geht: ,,Er (Gott) selbst kommt
und hilft euch“ (LXX: (xotö^ xal acoaei r]gäc). Der Ver-
fasser denkt von Anfang an schon an diese Stelle, bei ihrer An-
1 Eine dritte erwähne ich hier nur, um sie abzulehnen. Die Gnome
der mandäischen Apokalypse S. 84, 20 „Wer sich selber verherrlicht, muß
sich dann selber seiner schämen“ könnte man mit Matth. 23, 12 = Luk. 14, 11
vergleichen öcm<; 8k upoast, eauTOV, TaTrstvcdö-TjcrsTai, xal oöti^ TaTCTvcoast, eau-
tov, ü^coärjcjsTai.. Allein jene Gnome findet sich nur in der Fassung II
des mandäischen Textes und stört den Zusammenhang mehr, als daß sie ihn
fördert, ist also für den Archetypus nicht wahrscheinlich. Auch ist die Über-
einstimmung nicht klar genug. Als Beweise für literarische Abhängigkeit
lassen sich Gemeinplätze überhaupt schlecht benutzen.
2 Fassung II läßt die Worte „auf dem Boden Kriechenden“, aus.
3 Fassung I läßt die Worte „mit der Kraft des hohen Lichtkönigs“ aus.
4 Fassung II: „Es gibt Leben und es gibt Tod, es gibt Licht und es
gibt Finsternis und loderndes Feuer, es gibt Wahrheit und es gibt Irrtum.
Er führt einen jeden hinaus, der eifrig und fest in dem Glauben an den Einen,
den Herrn aller Lichtwelten ist“ (das Hinausführen ist die Errettung, das
aco^eiv). Die Angabe der Botschaft ist formelhaft und kehrt in anderen man-
däischen Texten wieder.
 
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