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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 12. Abhandlung): Das Mandäische Buch des Herrn der Größe und die Evangelienüberlieferung — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37689#0067
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Das mandäische Buch des Herrn der Größe.

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Müller) stimmt diese vierte Fassung zu der Enös-Botschaft der
Mandäer (ich zerstöre und gründe wieder meinen Palast). Man
wäre zunächst gewiß zu der Vermutung geneigt, daß der man-
däische Autor von dem Evangelienwort abhängt und es in einer
der manichäischen ähnlichen Fassung gelesen hat. Allein mit
Recht hat Prof. Lidzbarski eingewendet, daß Sia xphov 7]gspoiv
in ihm fest bezeugt und ursprünglich, die Benutzung einer schrift-
lichen Quelle also unwahrscheinlich ist. Ich möchte über ihn
hinausgehend eine Beziehung auf das Evangelienwort überhaupt
nicht für notwendig finden. Unter Palast versteht der Mandäer die
Wohnung, und zwar meist den Leib und die Welt, die ihm immer
gleichgesetzt wird. Den Weltuntergang und zugleich den Unter-
gang Jerusalems als seines Wohnsitzes kündet Enös an. Von dem
„Erbauen“ der neuen Welt ist in den verwandten manichäischen
Texten oft die Rede, ja „Bauherr der neuen Welt“ ist eine be-
stimmte Gottesbezeichnung in ihnen. Ohne alle Beziehung auf
die christliche Botschaft sind also die mandäischen Worte in sich
verständlich. War diese Verkündigung alt, so begreifen wir leicht,
daß bei der Anklage auf Jesus übertragen wurde, was den Messias-
erwartungen eines immerhin verwandten, dem offiziellen Juden-
tum feindlichen Kreises entsprach.
Sehen wir nun den christlichen Bericht an. Klar scheint
mir durch den ganzen Zusammenhang, daß der älteste Passions-
bericht, also Markus, das Zeugnis als erlogen darstellen und
s^scSogapTÜpouv im vollen Wortsinn gefaßt wissen wollte. Nicht
auf einem begreiflichen Mißverständnis und einem bei dem Schwei-
gen des Angeklagten notwendigen Irrtum der Richter, sondern
auf einem Rechtsbruch hat für ihn die Verurteilung Jesu beruht;
das geht mit unumstößlicher Gewißheit aus dem Zusatz Mark.
14, 59 hervor xcd oüSs oüxcoi; IV/j yjv yj gapxupta auxtov, der bei
Matthäus fehlt, aber von Markus schon deswegen nicht erfunden
sein kann, weil er seiner eigenen Fassung des Wortes der Zeugen,
wie wir sehen werden, widerspricht. Der Bericht stellte zunächst
fest: nicht einmal in der Beschränkung auf die eine Aussage war
das Zeugenverhör zu dem gesetzlich erforderten Ergebnis gekom-
men; die beiden Zeugen bekundeten zwar den gleichen Wortlaut,
stimmten aber in anderen Angaben (etwa über Zeit und Ort der
Äußerung) nicht überein. Die Unglaubwürdigkeit ihres Zeugnisses
hätte danach erkannt werden müssen. Ich halte es daher für
methodisch falsch, es als bezeugtes Herrenwort zu fassen und zu

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