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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 12. Abhandlung): Das Mandäische Buch des Herrn der Größe und die Evangelienüberlieferung — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37689#0097
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Das mandäisehe Buch des Herrn der Größe. 97
Nun darf man gewiß nicht einfach je einen Gott mit einem Zeit-
alter verbinden; die vier Zeitalter beziehen sich nach der gegen-
wärtigen Fassung auf die sichtbare Welt; aber daß beidemal
nach der vierten Entwicklungsstufe die a-Kox.ai&.G-zxoic, eintritt,
zeigt, daß diese Vorstellungen doch Zusammenhängen und aus
der gleichen Wurzel entsprossen sind. Auch von dieser Seite ist
also gegen die Altersbestimmung jener Apokalypse nichts einzu-
wenden.
Bedenklich könnte nur stimmen, daß in ihr der höchste Gott
als Lichtkönig bezeichnet wird wie in den beträchtlich späteren
Stücken I —III und selbst in der Einlage der zweiten Fassung1.
Brandt hat ja bekanntlich eine ganze Lichtkönigslehre als letzte
Entwicklungsstufe der mandäischen Beligion konstruiert und sie
sogar chronologisch festzulegen gesucht. Aber diese Bezeichnung
begegnet ebenso bei den Manichäern, z. B. in dem Berliner Frag-
ment M. 40, und entspricht vollständig der iranischen Gottes-
anschauung, die von Anfang an bestimmend einwirkt. So mag
ihr Vorwiegen für einzelne Zeiten und Schichten charakteristisch
sein, aber ihr Vorkommen ist für keine unmöglich. Auch die
schroffe Gegenüberstellung einer polytheistischen und einer mono-
theistischen Auffassung bei Brandt scheint mir bedenklich; ich
erkenne überall das, was man 'limitierten Monotheismus5 genannt
hat. Von einem Schema religiöser Entwicklung, das sich bei
organisch sich entfaltenden großen Beligionen vielleicht beobachten
läßt, kann ich innerhalb einer synkretistischen Religion, die dem
Individuum freie Auswahl läßt, und auf einem Boden, auf welchem-
zwei so entgegengesetzte Nationalitäten wie Babylonier und Per-
ser sich bereits vermischt hatten und das dort ebenfalls ansässige
Judentum immer mit einwirkte, einem Boden endlich, der vom
Westen her einmal noch eine entscheidende Neubefruchtung
empfangen hat, wenig Gebrauch machen. Die [mhoXoyou^sva
haben hier geringe Bedeutung, nur ein paar meist iranische Grund-
anschauungen und die Gesamtstimmung; sie zeigt mit ihrer
vollen Ablehnung der Askese trotz eines manchmal stark pessi-
mistischen Dualismus, daß der eigentliche Manichäismus2 * keinen Ein-
fluß geübt haben kann und das Judentum ihn in wachsendem
1 Freilich kann, wie ich schon im Anfang betonte, diese Gottes-
bezeichnung auch nachträglich aus dem Hauptteil übertragen sein.
2 Erwähnt wird er Genzä IX 1 p. 228 und zwar als eine Abart des
Christentums; der Abschnitt ist außerordentlich jung.

Sitzungsberichte der Heidetb. Akademie, phil.-hist. Kl. 1919. 12. Abh.

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