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Ritter, Constantin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 19. Abhandlung): Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37696#0003
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Auf dem Rafaelischen Gemälde, das unter dem Titel ,,Schule
von Athen“ bekannt ist, bilden den Mittelpunkt der bewegten
Gruppen, die unter der gewölbten Halle vereinigt sind, oben auf
den höchsten Stufen nebeneinander stehend, zwei Männer: der
eine mit erhobener Rechten zum Himmel, der andere mit leb-
hafter Gebärde zur Erde weisend. Auch ohne die Aufschrift des
Buchs, das jedem der beiden in seine Linke gegeben ist, wäre
sofort klar: der eine ist Platon, der andere Aristoteles, und die
Haltung eines jeden soll die vorherrschende Richtung seines
Denkens andeuten, soll jenen als Idealisten, diesen als Realisten
kennzeichnen. Bemerkenswert ist dabei jedoch, daß der Maler
nicht etwa das Buch vom Idealstaat, in dem auch die Beschreibung
der höchsten an der Spitze des geistigen Reichs stehenden Idee,
der des Guten, enthalten ist, dem Platon in die Linke gegeben
hat, sondern den Timaios (Aristoteles hält seine Ethica). Das ist
von den platonischen Schriften die, welche am meisten von allen,
und fast ausschließlich, sich mit den Gegenständen beschäftigt,
die das Gebiet der Naturwissenschaften ausmachen. Sie enthält
gewisse Kapitel, die man, wenn sie als Fragmente für sich allein
erhalten wären, wohl einem alten Handbuch der Physik, der
Anatomie, Physiologie und Pathologie zuweisen möchte, und
manche Betrachtungen darin, z. B. über die Bedingtheit psychi-
scher Prozesse durch körperliche, klingen ganz materialistisch1.
Wenn man den Platon als den großen Idealisten bezeichnet, so
kann man eben aus dem Timaios besonders deutlich ersehen,
daß diese Bezeichnung mißverständlich und einseitig ist. Freilich
dafür, daß sie nicht falsch, daß sie sogar trotz solcher Betrach-
tungen wohl begründet ist, dient gerade auch der Timaios zum
Beweise. Das wird in die Augen fallen, wenn ich die grundsätz-
lichen Gedanken desselben heraushebe.
Die schriftstellerische Voraussetzung ist, daß Sokrates einigen
hochgebildeten Männern seine Gedanken über den idealen Staat
vorgetragen hat. Dadurch ist die Frage angeregt worden, ob

1 Vgl. in meiner Inhaltsdarstellung (Platons Dialoge I) S. 121 ff.
 
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