Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft.
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lieh auch für die Physik ihre Geltung. Und eben daraus ergibt
sich, wo die Kenntnis physischer Kräfte angestrebt wird, die Auf-
gabe, die Wirkungen oder Äußerungen dieser Kräfte mit den
zu Gebot stehenden Mitteln zu studieren.
Der Begriff der Bewegung wird im Parmenides in gleichem
Sinne gefaßt, wie der Phaidon den des Werdens bestimmt hat,
nämlich als Übergang von einem Zustand in einen andern zu ihm
gegensätzlichen1. Übergang aber, erkennt Platon, kann es nicht
geben ohne Zeitverlauf2 und wiederum Zeit mit ihrer Entgegen-
setzung des Vorher und Nachher zum Jetzt nicht ohne Bewegung3.
So schließt also die Vorstellung der Bewegung Zeitbeziehungen
ein und die Begriffe Bewegung und Zeit werden nicht unabhängig
von einander festzustellen sein.
Wir denken uns auch Raumbeziehungen für die Bewegung
als wesentlich. Und diese sind auch für Platon selbstverständlich,
wenn wir den Begriff der Bewegung so begrenzen, wie er für die
Physik allein Bedeutung hat; denn als Grundmerkmal des stoff-
lichen Daseins hat Platon ja die Räumlichkeit hingestellt. Frei-
lich erweitert er selber die Bedeutung des Wortes Bewegung,
so daß es ihm auch geistige Vorgänge bezeichnet, ähnlich wie er
im Begriff der Kraft geistige Vermögen mitbefaßt. Aufs Gebiet
der Physik eingeschränkt kann die Bewegung auch als Übergang
von einem Punkt des Raums in den benachbarten bestimmt
werden (als μετάβασις). Gegensatz zur Bewegung ist der Still-
stand, die Ruhe (στάσις, έστάναι).
Physikalische Gegenstände, Körper, die als solche Verschieden-
heiten und namentlich räumliche Teile in sich haben, können
nach Platon nicht in völligem Ruhezustand sein4. Dieser Satz
dient zur Ergänzung seines Stoffbegriffs. Er ergab sich ihm
wohl schon im Zusammenhang mit seiner im Theaitetos vor-
getragenen Wahrnehmungstheorie, die unten kurz beschrieben
werden soll, und ist wieder abzuleiten aus seiner Definition des
Seins als Kraft zu wirken. Denn sinnliches Sein muß sinnlich wirk-
sam sein und unbewegtes Wirken ist ein Selbstwiderspruch.
Auch aus der klaren Fassung der Zeitvorstellung folgt er. Weil
1 z. B. Parm. 162b f., vgl. Phaid. 70e.
2 Parm. 151 e ff.
3 Ebendort u. Tim. 38aff.
4 s. z. B. Pol. 530b, wo dieser Satz mit Beziehung auf die Fixsterne
ausgesprochen wird (vgl. S. 4).
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lieh auch für die Physik ihre Geltung. Und eben daraus ergibt
sich, wo die Kenntnis physischer Kräfte angestrebt wird, die Auf-
gabe, die Wirkungen oder Äußerungen dieser Kräfte mit den
zu Gebot stehenden Mitteln zu studieren.
Der Begriff der Bewegung wird im Parmenides in gleichem
Sinne gefaßt, wie der Phaidon den des Werdens bestimmt hat,
nämlich als Übergang von einem Zustand in einen andern zu ihm
gegensätzlichen1. Übergang aber, erkennt Platon, kann es nicht
geben ohne Zeitverlauf2 und wiederum Zeit mit ihrer Entgegen-
setzung des Vorher und Nachher zum Jetzt nicht ohne Bewegung3.
So schließt also die Vorstellung der Bewegung Zeitbeziehungen
ein und die Begriffe Bewegung und Zeit werden nicht unabhängig
von einander festzustellen sein.
Wir denken uns auch Raumbeziehungen für die Bewegung
als wesentlich. Und diese sind auch für Platon selbstverständlich,
wenn wir den Begriff der Bewegung so begrenzen, wie er für die
Physik allein Bedeutung hat; denn als Grundmerkmal des stoff-
lichen Daseins hat Platon ja die Räumlichkeit hingestellt. Frei-
lich erweitert er selber die Bedeutung des Wortes Bewegung,
so daß es ihm auch geistige Vorgänge bezeichnet, ähnlich wie er
im Begriff der Kraft geistige Vermögen mitbefaßt. Aufs Gebiet
der Physik eingeschränkt kann die Bewegung auch als Übergang
von einem Punkt des Raums in den benachbarten bestimmt
werden (als μετάβασις). Gegensatz zur Bewegung ist der Still-
stand, die Ruhe (στάσις, έστάναι).
Physikalische Gegenstände, Körper, die als solche Verschieden-
heiten und namentlich räumliche Teile in sich haben, können
nach Platon nicht in völligem Ruhezustand sein4. Dieser Satz
dient zur Ergänzung seines Stoffbegriffs. Er ergab sich ihm
wohl schon im Zusammenhang mit seiner im Theaitetos vor-
getragenen Wahrnehmungstheorie, die unten kurz beschrieben
werden soll, und ist wieder abzuleiten aus seiner Definition des
Seins als Kraft zu wirken. Denn sinnliches Sein muß sinnlich wirk-
sam sein und unbewegtes Wirken ist ein Selbstwiderspruch.
Auch aus der klaren Fassung der Zeitvorstellung folgt er. Weil
1 z. B. Parm. 162b f., vgl. Phaid. 70e.
2 Parm. 151 e ff.
3 Ebendort u. Tim. 38aff.
4 s. z. B. Pol. 530b, wo dieser Satz mit Beziehung auf die Fixsterne
ausgesprochen wird (vgl. S. 4).