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Ritter, Constantin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 19. Abhandlung): Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37696#0013
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Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft.

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wegung in einem Kreislauf sich verwirklichen wegen der durch-
gängigen Raumerfüllung und der Undurchdringlichkeit des den
Raum füllenden Stoffes. In diesem Gedanken sucht er die Lösung
für eine ganze Anzahl auffälliger Erscheinungen, die daraus frei-
lich nicht befriedigend erklärt werden können, wie z. B. die Be-
wegung geworfener Körper, das Fließen des Wassers, das Nieder-
fahren des Blitzes auf die Erde, die Anziehungskraft, die der
Magnet- und Bernstein äußert1, das Hinunterschlucken der
Speisen, die rhythmischen Atembewegungen. Gewiß bildet sich
Platon dabei selber nicht ein, mit dem Hinweis auf das unbegrenzte
Fortwirken der Druck- und Stoßbewegungen bei durchgängiger
Raumerfülltheit und stetiger Berührung des einen Körpers durch
den andern die volle Erklärung der erwähnten Vorgänge aus-
gesprochen zu haben, sondern er will nur einen Leitgedanken an-
geben für die Richtung, in der nach seiner Meinupg die Einzel-
untersuchung sich zu bewegen hätte2. Deshalb begnügt er sich
auch mit ganz kurzen Andeutungen.
Arten der Bewegung werden an verschiedenen Stellen
unterschieden; am ausführlichsten geschieht dies im 10. Buch
der Nomoi. Dort wird zuerst behauptet, daß von den Dingen
die einen sich bewegen, die andern in Ruhe seien. Dann heißt es3
weiter: ,,Nicht wahr: in einem Raum wird sowohl das Ruhende
ruhen als das Bewegte sich bewegen ? — Wie könnte das anders
sein ? — Und zwar wird das eine an demselben Ort seine Bewegung
ausführen, das andere an mehreren Orten. — Die Bewegung auf
derselben Stelle, werden wir fragen, schreibst du den Dingen zu,
welche die Kraft empfangen, in ihrem Mittelpunkt ruhig zu be-
1 Ich darf daran erinnern, daß noch Cabeo (in seiner Philosophia magne-
tica von 1639) die elektrische Anziehung auf dieselbe Weise erklärt hat,
indem er ausführt: die durch Reiben aus den elektrischen Körpern ausgehen-
den Einflüsse stoßen die zunächst anliegende Luft fort, die aber infolge des
Widerstandes der entfernteren Luft in eine kleine Wirbelbewegung versetzt
wird, mithin den Ausflüssen nicht weiter zu gehen gestattet, sondern dieselben
und mit ihnen leichte Körper zu dem elektrischen Körper zurückführt (nach
Rosenberger, Gesch. d. Phys. II, 92). Im übrigen bilden Platons Bemer-
kungen den Ausgangspunkt für die aristotelische und mittelalterliche Lehre
vom Widerwillen der Natur gegen das Leere, dem „horror vacui“.
2 Ganz deutlich ist das 80c gesagt: „in der Verflechtung dieser Um-
stände werden dem, der in richtiger Weise nachforscht (τω κατά τρόπον ζητούντο)
die Ursachen dieser wunderbaren Erscheinungen sich enthüllen.“
3 893 b ff.
 
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