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Ritter, Constantin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 19. Abhandlung): Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37696#0032
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Constantin Ritter:

rein begrifflichen Gehaltes sind; falls aber der Begriff, von dem sie
ausgingen, objektiven Gehalt hat oder mit anderen Worten in
einer Idee wurzelt, sind auch die logisch fehlerlos gezogenen Folge-
rungen objektiv begründet oder laufen auf Ideen hinaus (τελευτά
εις εΐδη Pol. 511 c) und enthalten Wahrheit. Das stark Proble-
matische indes, das jenem hypothetischen „falls“ immer anklebt,
wird gerade bei den Versuchen, einzelne empirische Körper aus
bestimmten räumlichen Gestaltungen kleinster Bestandteile abzu-
leiten und damit als Arten dieses oder jenes Elements nachzuweisen,
einmal wieder besonders nachdrücklich in Erinnerung
gebracht. Nachdem Platon Gold, Stahl und Kupfer beschrieben
hat, unterbricht er seine Darlegungen mit der Zwischen-
bemerkung: „was sonst noch zu dieser Art gehört, dafür
könnte wer seine Phantasie weiter nach dem Ziel der Wahr-
scheinlichkeit sich bewegen ließe1 ohne Schwierigkeit ebenfalls
begriffliche Unterscheidungsmerkmale auffinden; und wenn
man denn der Ausspannung halber die Untersuchung der
ewig bestehenden Verhältnisse beiseite lege und durch
Erwägung der auf das Vergängliche bezüglichen Wahrscheinlich-
keiten sich ein Vergnügen bereite, dem keine Beue nachfolgt2, so
dürfte das im ernsten Leben als ein empfehlenswertes und ver-
nünftiges Spiel anzuerkennen sein.“ In diesem Sinne, fährt er
dann fort, solle auch das Weitere aufgenommen werden.
Da die Materie zufolge des gestaltenden Eingriffs des Welt-
baumeisters Trägerin aller der unterschiedlichen Bestimmtheiten
wird, die uns in der Welt wahrnehmbar sind, muß die Möglichkeit
zu unterschiedlichen Bestimmungen in ihr selbst liegen. Die Wir-
kung des göttlichen Eingriffs ist, daß sie in klaren Formen gestaltet
wird. Zuvor befindet sie sich nach der Darstellung des Timaios
in völliger Verworrenheit und, weil dabei alle möglichen Gestal-
tungen nebeneinander liegend sich berühren, in unsicher schwan-
kender Bewegung. Mit der Einprägung klar unterschiedener

1 59 c τάλλα δέ των τοιούτων ούδέν ποικίλον έτι διαλογίσασ-δ-αι τήν των είκότων
μύΟ-οιν μεταδιώκοντα ιδέαν.
2 Der Satz erinnert an Phaidros 276 d e, wo sich Platon über den geringen
Wert schriftlicher Ausführungen ausspricht, die immer nur ein blasses Nach-
bild des lebendig gesprochenen Wortes seien. Doch, sagt er, sei die Unter-
haltung, die sich der Schriftsteller damit mache, wenigstens kein schlechter
Zeitvertreib und immerhin harmlos, verglichen mit den verwerflichen Spielen
anderer. Vgl. auch Nom. 820 c.
 
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