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Ritter, Constantin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 19. Abhandlung): Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37696#0036
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ConstanTin Ritter:

Stofflichkeit noch nicht wirklich aufgeklärt ist, wird zwischen-
hinein deutlich ausgesprochen in den Sätzen1: „Das ist die Grund-
annahme, die wir bezüglich der Entstehung des Feuers usw.
machen“ . . . „Die noch weiter zurückliegenden Prinzipien kennt
Gott und von den Menschen wer jenem heb ist.“ Darin hegt
doch eben, daß die Stofflichkeit selber schon als bestehend vor-
ausgesetzt ist, wenn der Geist ihr durch die Begrenzung mit
Dreiecksflächen erkennbare Formen gibt.
Aber ist denn nicht der Begriff, den wir uns vom Raum selber
bilden, widerspruchsvoll und sollte das nicht Platon bemerkt und
deshalb im Raum das Wesen der Materie erblickt haben ? Kant
hat uns zu zeigen gesucht, daß wir mit Notwendigkeit in Antinomien
hineingeraten, wenn wir den Raum als etwas für sich Bestehendes
nehmen und den Dingen als Eigenschaft Räumlichkeit zuschreiben.
Der Thesis „Die Welt ist dem Raume nach in Grenzen ein-
geschlossen“, stellt er als ganz gleich gut begründet die Antithesis
gegenüber „Die Welt hat keine Grenzen im Raume, sondern ist
in Ansehung des Raums unendlich.“ Er meint, nur dadurch
können wir den Widersprüchen entrinnen, daß wir annehmen,
der Raum sei die Form, in der wir die unter Beteiligung unserer
Sinne zustande kommenden Empfindungen ordnen, wodurch eben
sinnliche Anschauung erzeugt werde, etwas uns als auffassenden
Subjekten Anhaftendes, den Objekten als solchen nicht Zukommen-
des. Auch der Widerstreit, den Kant in der anschließenden Thesis
und Antithesis über das Verhältnis des Zusammengesetzten zum
Einfachen vorlegt, wurzelt im Raumbegriff. Die nähere Über-
legung zeigt aber, daß es zwei Merkmale dieses Begriffs sind,
welche die ganze Verwirrung verschulden, das des stetigen Zu-
sammenhangs zwischen einem Raumpunkt und den benachbarten
anderen oder der Kontinuität und das der Endlosigkeit der Er-
streckung. Bei Aufstellung dieser zwei Merkmale verrät sich ein
gewisser Gegensatz in der Betätigung unserer sinnlichen An-
schauung und unseres unsinnliche Begriffe bildenden Verstandes.
Die Sinne zeigen uns unmittelbar den stetigen Zusammenhang,
reichen dagegen nicht in endlose Weite; der Verstand grenzt mit
scharfen Unterscheidungsstrichen ab und setzt Abgegrenztes zu-
sammen in beliebig oft erneuerter Wiederholung. Der Begriff
des in stetigem Zusammenhang Geschauten oder Getasteten läßt

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