42
Constantin Ritter:
eine Trübung; und da er mitbeschrieben werden muß bei Be-
schreibung des Bildes, ist dadurch die Ungenauigkeit und Un-
sicherheit bedingt. Im Timaios wird dieser Zusammenhang schon
damit angedeutet, daß das Wort, das die bloße Wahrscheinlich-
keit ausdrückt im Unterschied vom sicher Gewußten (είκός), mit
dem Wort, das Bild bedeutet (είκών), in engste Verbindung ge-
setzt wird.
Die beiden Gedanken, daß die ganze sichtbare Welt Abbild
einer unsichtbaren Wirklichkeit sei, und daß sie beseelt sei, sind
darin verwandt, daß beide den Sinn einschließen, durch bloße
Zergliederung und Aufweisung ihrer materiellen Bestandteile
könne sie nicht vollständig begreiflich gemacht werden. Aber
insofern stehen sie zu einander im Gegensatz, als das Beseelte in
sich Selbständigkeit besitzt, das Abbild aber von der Tätigkeit
eines von außen her einwirkenden Künstlers abhängig ist, nach
dem sich von ihm weg die Aufmerksamkeit des denkenden Be-
trachters hinwenden wird. Wir berühren hier eine der Grundlagen
von Platons Weltanschauung und dürfen uns nicht mit einem
flüchtigen Seitenblick darauf begnügen1. Vorerst aber wollen wir
uns noch in Einzelgebieten der Natur etwas weiter umschauen,
um zu sehen, wie weit diese durch die Bemühungen Platons er-
leuchtet worden sind.
Besonders glänzende Förderung hat durch ihn die
Astronomie erfahren. Diese Wissenschaft war schon von den
alten Physikern vorzugsweise und mit besonderem Erfolg ge-
pflegt worden. Die Begründung der philosophischen oder wissen-
schaftlichen Weltbetrachtung durch Thaies und seine näch-
sten Nachfolger ist ganz namentlich durch unerschrockene
Anwendung scharfen Denkens auf die Beobachtungen an
den Himmelskörpern zustande gekommen. Besonders wichtige
Fortschritte der Erkenntnis auf diesem Gebiet sind dadurch
bezeichnet, daß Thaies die Größe der Sonne im Verhältnis
zum Umfang des Horizontkreises ausmaß2; daß Anaximandros
mit dem Schattenzeiger die Mittagslinie feststellte, und daß
er die Erde als frei im Weltraum schwebenden Körper er-
kannte ; daß die Pvthagoreer ihre Gestalt als die einer Kugel
bestimmten, an der dann Parmenides die Einteilung in klimatische
Zonen vornahm; daß die Angehörigen derselben pythagoreischen
1 Weiteres darüber s. S. 98ff.
2 Apuleius Flor. 18 bei Diels Vors. 2 I S. 9.
Constantin Ritter:
eine Trübung; und da er mitbeschrieben werden muß bei Be-
schreibung des Bildes, ist dadurch die Ungenauigkeit und Un-
sicherheit bedingt. Im Timaios wird dieser Zusammenhang schon
damit angedeutet, daß das Wort, das die bloße Wahrscheinlich-
keit ausdrückt im Unterschied vom sicher Gewußten (είκός), mit
dem Wort, das Bild bedeutet (είκών), in engste Verbindung ge-
setzt wird.
Die beiden Gedanken, daß die ganze sichtbare Welt Abbild
einer unsichtbaren Wirklichkeit sei, und daß sie beseelt sei, sind
darin verwandt, daß beide den Sinn einschließen, durch bloße
Zergliederung und Aufweisung ihrer materiellen Bestandteile
könne sie nicht vollständig begreiflich gemacht werden. Aber
insofern stehen sie zu einander im Gegensatz, als das Beseelte in
sich Selbständigkeit besitzt, das Abbild aber von der Tätigkeit
eines von außen her einwirkenden Künstlers abhängig ist, nach
dem sich von ihm weg die Aufmerksamkeit des denkenden Be-
trachters hinwenden wird. Wir berühren hier eine der Grundlagen
von Platons Weltanschauung und dürfen uns nicht mit einem
flüchtigen Seitenblick darauf begnügen1. Vorerst aber wollen wir
uns noch in Einzelgebieten der Natur etwas weiter umschauen,
um zu sehen, wie weit diese durch die Bemühungen Platons er-
leuchtet worden sind.
Besonders glänzende Förderung hat durch ihn die
Astronomie erfahren. Diese Wissenschaft war schon von den
alten Physikern vorzugsweise und mit besonderem Erfolg ge-
pflegt worden. Die Begründung der philosophischen oder wissen-
schaftlichen Weltbetrachtung durch Thaies und seine näch-
sten Nachfolger ist ganz namentlich durch unerschrockene
Anwendung scharfen Denkens auf die Beobachtungen an
den Himmelskörpern zustande gekommen. Besonders wichtige
Fortschritte der Erkenntnis auf diesem Gebiet sind dadurch
bezeichnet, daß Thaies die Größe der Sonne im Verhältnis
zum Umfang des Horizontkreises ausmaß2; daß Anaximandros
mit dem Schattenzeiger die Mittagslinie feststellte, und daß
er die Erde als frei im Weltraum schwebenden Körper er-
kannte ; daß die Pvthagoreer ihre Gestalt als die einer Kugel
bestimmten, an der dann Parmenides die Einteilung in klimatische
Zonen vornahm; daß die Angehörigen derselben pythagoreischen
1 Weiteres darüber s. S. 98ff.
2 Apuleius Flor. 18 bei Diels Vors. 2 I S. 9.