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Ritter, Constantin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 19. Abhandlung): Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37696#0043
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Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft.

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Schule die Hypothese wagten, nicht die Erde, sondern ein anderer
Körper nehme den Platz im Mittelpunkt der Welt ein; weiter ent-
warf dann der erste pythagoreische Schriftsteller, Philolaos, ein
kosmisches System, das die Bahnen sämtlicher Himmelskörper
mit Einschluß der Erde in konzentrischen Kreisen ordnete und
ihre Abstände festzustellen suchte. Hier eben hat nun auch Platon
mit seinen Forschungen eingesetzt, nachdem er auf seinen Reisen
in persönlichem Umgang mit hervorragenden Pythagoreern sich
mit den Lehren ihrer Schule bekannt gemacht hatte.
Im Phaidon werden zum erstenmal astronomische Fragen auf-
geworfen, ob die Erde in der Mitte der Welt sich befinde oder nicht,
wie die Geschwindigkeit des Umschwungs der Sterne zu einander
sich verhalte usw., aber Antworten auf diese Fragen werden ab-
gelehnt, weil sich aus teleologischer Betrachtung keine Entschei-
dung finden lasse. Doch wird nachher mit Berufung auf fremde
Autorität der Überzeugung Ausdruck verliehen, daß die Erde
kugelförmig gestaltet sei und unbewegt in der Mitte des Welt-
raums ruhe. Einer Unterlage oder Stütze bedürfe sie da nicht,
sondern die durchaus gleichmäßige Gewichtsverteilung ihrer
eigenen Masse und die nach allen Seiten gleiche Beschaffenheit
des sie umgebenden Himmels genüge, sie in der Schwebe zu halten,
weil ja „ein in Gleichgewichtslage befindliches Ding, in den Mittel-
punkt eines Gleichmäßigen versetzt, weder durch Überschuß noch
durch Mangel nach irgend einer Richtung hin sich zu neigen Antrieb
erhalten und gleichmäßig sich verhaltend un verrückt bleiben wird“1.
Und weiter in dem Schlußmythos des Dialogs, wo die Erde ge-
schildert wird, wie sie sich einem Beobachter von fernen Höhen
aus darstellen möchte, wird sie einem aus zwölf verschiedenfarbigen
Lederstreifen zusammengenähten Spielball verglichen, was kaum
etwas anderes bedeuten kann, als daß um ihren festen Kern elf
konzentrische Hüllen gelegt seien, von denen die innerste wohl
als die des Wassers, die zweite die der Luft, die äußerste als die
des Fixsternhimmels zu betrachten sein wird, während die mitt-
leren durch die verschiedenen Planetensphären gebildet werden2.
Hiemit übereinstimmende, aber genauere Auskunft über die
Gestirnsphären gibt uns die mythenhafte Erzählung am Schluß
1 Phaid. 109 a, vgl. Tim. 63 a oben S. 10.
2 Und ferner liegt eine ähnliche Vorstellung allem nach auch gewissen
Andeutungen in der mythischen Himmelsschilderung des Phaidros (vgl.
An. 57 zu meiner Übersetzung in der Philos. Bibi. Bd. 152) zugrunde.
 
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