Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft.
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den Fixsternsphäre die größere oder geringere Geschwindigkeit
gedient habe, mit der der einzelne Wandelstern dem Umschwung
jener Sphäre entgegengesetzt oder von seiner Richtung abweichend
sich bewegt. Dagegen bleiben wir in Unsicherheit darüber, was
mit der Breite der Wirtelringe oder Sphären gemeint ist und nament-
lich auf welchen Beobachtungen die Angaben darüber fußen. Wenn
man sich eine Zeichnung mit der Erde als Mittelpunkt entwirft
und darum herum für die Gestirnbahnen konzentrische Kreise
beschreibt, ist die Breite einer Sphäre gleich dem Abstand der
Bahnlinie des betreffenden Gestirns von der konzentrischen Linie
des nächst inneren, der Erde näher befindlichen. Jedenfalls werden
bei den Breitenangaben die Unterschiede der Lichtstärke berück-
sichtigt sein. Der neuplatonische Gelehrte Proklos, dessen Kom-
mentar zu der Stelle wir besitzen, will Beobachtungen über Unter-
schiede von Erdnähe und Erdferne der Planeten zur Erklärung
mit heranziehen und bemerkt, die Theorie der exzentrischen
Bahnen mit Epikyklen scheine am ehesten für die Sache ver-
wertbar. Ich kann aus diesen Bemerkungen nicht klug werden
und meines Wissens ist auch von keinem anderen Gelehrten bis
heute* 1 eine voll befriedigende Aufklärung gegeben worden. Da
nach pythagoreischer Meinung das Dahinsausen der Gestirne in
ihrer Bahn oder der Umschwung ihrer Sphären den wunderbaren
harmonischen Zusammenklang ergeben soll, der, sterblichen Ohren
leider nicht vernehmbar, die Unsterblichen beständig ergötzt,
liegt die Vermutung nahe, die Abstände der Gestirnbahnen von
einander seien ursprünglich einfach durch Übertragung der für
die harmonisch gestimmten Saiten des Heptachords gefundenen
Zahlen bestimmt worden. Aber Platon scheint sich, obgleich er
sich durch einzelne Angaben seines Mythos2 den Pythagoreern an-
schließt, mit den so ermittelten Zahlenverhältnissen nicht mehr
begnügt zu haben; doch wohl weil er gewisse beobachtete Tat-
sachen kannte, die mit ihnen im Widerspruch standen. Ja wir
haben sogar ein beachtenswertes Zeugnis dafür, daß fortgesetzte
eisens Jb. 1896, S. 305f., und Staigmüller, Beiträge zur Geschichte der
Naturwissenschaften im klassischen Alteriume, Progr. des Realgymnasiums
in Stuttgart, 1899, S. 28f.
1 Vgl. Ivrolls Erklärungen zu der Stelle.
2 Nach Pol. 617b steht auf jedem der umschwingenden Wirbelringe
eine Sirene, die immer denselben Ton vernehmen läßt, so abgestimmt,
daß die 8 miteinander zur Harmonie zusammenklingen.
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den Fixsternsphäre die größere oder geringere Geschwindigkeit
gedient habe, mit der der einzelne Wandelstern dem Umschwung
jener Sphäre entgegengesetzt oder von seiner Richtung abweichend
sich bewegt. Dagegen bleiben wir in Unsicherheit darüber, was
mit der Breite der Wirtelringe oder Sphären gemeint ist und nament-
lich auf welchen Beobachtungen die Angaben darüber fußen. Wenn
man sich eine Zeichnung mit der Erde als Mittelpunkt entwirft
und darum herum für die Gestirnbahnen konzentrische Kreise
beschreibt, ist die Breite einer Sphäre gleich dem Abstand der
Bahnlinie des betreffenden Gestirns von der konzentrischen Linie
des nächst inneren, der Erde näher befindlichen. Jedenfalls werden
bei den Breitenangaben die Unterschiede der Lichtstärke berück-
sichtigt sein. Der neuplatonische Gelehrte Proklos, dessen Kom-
mentar zu der Stelle wir besitzen, will Beobachtungen über Unter-
schiede von Erdnähe und Erdferne der Planeten zur Erklärung
mit heranziehen und bemerkt, die Theorie der exzentrischen
Bahnen mit Epikyklen scheine am ehesten für die Sache ver-
wertbar. Ich kann aus diesen Bemerkungen nicht klug werden
und meines Wissens ist auch von keinem anderen Gelehrten bis
heute* 1 eine voll befriedigende Aufklärung gegeben worden. Da
nach pythagoreischer Meinung das Dahinsausen der Gestirne in
ihrer Bahn oder der Umschwung ihrer Sphären den wunderbaren
harmonischen Zusammenklang ergeben soll, der, sterblichen Ohren
leider nicht vernehmbar, die Unsterblichen beständig ergötzt,
liegt die Vermutung nahe, die Abstände der Gestirnbahnen von
einander seien ursprünglich einfach durch Übertragung der für
die harmonisch gestimmten Saiten des Heptachords gefundenen
Zahlen bestimmt worden. Aber Platon scheint sich, obgleich er
sich durch einzelne Angaben seines Mythos2 den Pythagoreern an-
schließt, mit den so ermittelten Zahlenverhältnissen nicht mehr
begnügt zu haben; doch wohl weil er gewisse beobachtete Tat-
sachen kannte, die mit ihnen im Widerspruch standen. Ja wir
haben sogar ein beachtenswertes Zeugnis dafür, daß fortgesetzte
eisens Jb. 1896, S. 305f., und Staigmüller, Beiträge zur Geschichte der
Naturwissenschaften im klassischen Alteriume, Progr. des Realgymnasiums
in Stuttgart, 1899, S. 28f.
1 Vgl. Ivrolls Erklärungen zu der Stelle.
2 Nach Pol. 617b steht auf jedem der umschwingenden Wirbelringe
eine Sirene, die immer denselben Ton vernehmen läßt, so abgestimmt,
daß die 8 miteinander zur Harmonie zusammenklingen.