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Ritter, Constantin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 19. Abhandlung): Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37696#0056
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56

Constantin Ritter:

lischer Körper auf eine mit gleichmäßiger Geschwindigkeit im
Kreise verlaufende Bewegung zurückgeführt werden könnten.
Zur endgültigen Feststellung eines kosmischen Systems indes
scheint er nicht gelangt zu sein. Doch wie nahe er der vollkommenen
Erkenntnis der wirklichen Verhältnisse war und wie kräftigen
Anstoß er für die weitere Ergründung derselben gegeben hat, das
wird vollends deutlich, wenn wir auch noch ins Auge fassen, was
uns — in leider nur lückenhafter Überlieferung — von Leistungen
der unter seiner Leitung mitforschenden Freunde
und Schüler bekannt ist.
Von Eudoxos erfahren wir, daß er das System der ineinander
geschobenen Gestirnsphären, das Platon in der Politeia schildert
und zur Erklärung der kosmischen Erscheinungen anwendet, ver-
vollkommnet1 und zu einer Theorie ausgebildet hat, die Schiapa-
relli als ,,eines der schönsten (aber am wenigsten gekannten)
Denkmäler der alten Geometrie“ kennzeichnet. Dieselbe fand vielen
Beifall und wurde namentlich von Aristoteles auf genommen2 und
in seiner Schule unter mehrfachen Umbildungen weiter überliefert.
Herakleides aber, von dem wir wissen, daß ihn Platon, im
Begriff, seine letzte Beise nach Syrakus anzutreten, mit der Ver-
trauensstellung des stellvertretenden Leiters der Akademie beehrte,
hat zwei verschiedene geometrische Lösungen der von Platon ge-
stellten Aufgabe, die scheinbaren Bewegungen der Planeten durch
gleichförmige Kreisbewegungen darzustellen, gegeben, zwischen
denen er den Physikern die Entscheidung überläßt3; und diese
Lösungen gehören zu den genialsten unter allen Leistungen, die
überhaupt in der Geschichte der Astronomie verzeichnet werden
können. Fürs erste hat er klar und bestimmt ausgesprochen, die
scheinbare tägliche Bewegung des Himmels sei zu erklären durch
1 Vgl. S. 53.
2 Freilich mit gröblichen Entstellungen. Denn Aristoteles hat in seiner
scholastischen Weise die rein zur Beschreibung der Phänomene von Eudoxos
entworfenen geometrischen Konstruktionen als einen physischen Mechanis-
mus aufgefaßt.
3 ,,Denn“, so erklärt uns Poseidonios (bei Simplikios), „es ist überhaupt
nicht Sache des Astronomen, zu erkennen, was seiner Natur nach ruhig ist
und welche Dinge die bewegten sind, sondern indem er Hypothesen einführt
von teils feststehenden teils sich bewegenden Dingen, untersucht er, mit
welchen Hypothesen die Erscheinungen am Himmel sich in Einklang bringen
lassen“. Comment. in Aristot. Graeca, vol. IX, p. 292, 23, 26.
 
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