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Ritter, Constantin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 19. Abhandlung): Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37696#0062
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62

Constantin Ritter:

eigenen Schriften freilich tritt dergleichen sehr zurück. Denn
nachdem Platon im mündlichen Lehren bei täglichem Verkehr
mit Schülern und Freunden seinen Beruf gefunden hatte, hat für
ihn auf lange Zeit die schriftliche Darlegung, wie deren geringe
Bewertung in einer bekannten Phaidrosstelle zeigt, fast allen Wert
verloren und so nahm er keinen Bedacht darauf, alles was er zu
lehren hatte auch einem lesenden Publikum vorzulegen* 1. Im
übrigen ist es vor allem wieder der Timaios, der uns doch ziemlich
viel hierhergehörigen Stoff bietet. Anthropologische Ausfüh-
rungen sind durch den Plan der Schrift2 gefordert und werden
in ziemlicher Breite gegeben. Aber denTieren ist nur ein kurzer An-
hang gewidmet und vorher fallen über sie und die Pflanzen einige
Nebenbemerkungen. Zuerst werden in einem Überblick über die

zumeist freilich bei der ionischen Wissenschaft, der Nachfolge des Demokritos
und Hippokrates, gefunden, aber nicht wenig auch im Museion der Akademie.
Wo sonst hätte Herakleides Pontikos die Anregung zu so manchen natur-
wissenschaftlichen Problemen her? Hat nicht Speusippos über Zoologie und
Botanik geschrieben ?“
1 Über die διαιρέσεις, deren in einem der unechten Briefe Platons an
Dionysios II gedacht wird, vgl. meine Neuen Unters. S. 366 f. A. 49.
2 Schon die Worte, mit denen 27 a das Thema angegeben ist, lassen er-
kennen, daß die ganze Untersuchung der Welt eigentlich den Zweck habe,
den Menschen recht zu verstehen, der eben in ihr lebt und, wie uns dann in
mythischen Bildern breit genug vorgemalt wird, in seiner leiblichen und
geistigen' Verfassung von den Gesetzen der Natur abhängig ist und deshalb
auch die Ziele seines Lebens sich nicht richtig stecken kann — eine Andeutung
darauf finde ich in dem rekapitulierenden Zurückgehen auf die Ausführungen
des Staats; vgl. auch 27a, b παρά μέν τούτου δεδεγμένον άνθ-ροιπους τω λόγω
γεγονότας, παρά σου δέ πεπαιδευμένους διαφερόντως —, ehe er sich selber im
Zusammenhang mit dem Ganzen auffassen lernt. Nur auf Schilderung des
Menschen kommt es dem Verfasser an, wo er dazu übergeht, die in der Welt
lebenden ζωα ins Auge zu fassen; nur der Mensch ist Selbstzweck, das andere,
ζωα, φυτά und Unbelebtes, sind um seinetwillen und zu seinem Dienste da.
— Bei modernen Denkern finden wir wohl die Betrachtung: die Vernunft,
mit der sich der Mensch begabt findet, müsse ebenso wie seine leibliche Aus-
stattung ihre natürlichen Ursachen haben; und so sei zu fragen: wie ist Ver-
nunft, dieses tatsächlich Gegebene, in der Welt möglich? oder: wie muß ich
den Begriff der Welt mir denken, welche Merkmale muß ich in ihn einschließen,
um in ihrem Zusammenhang den Geist, der im menschlichen Bewußtsein sich
selbst erfährt, zu begreifen ? Ich meine, diese Frage beschäftige auch den
Timaios, freilich ohne ausgesprochen zu werden, neben der anderen: wie ist
die vollendete Schönheit der Welt zu erklären ?, und der ganze Abschnitt
Kapitel 5—16 wolle u. a. auch darauf Antwort geben.
 
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