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Ritter, Constantin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 19. Abhandlung): Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37696#0071
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Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft.

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dein und überall im Körper, wo sie hingelangen, ihre ätzende
Wirkung äußern. Die Störung ist noch leicht zu überwinden, so-
lange der Prozeß der Rückbildung örtlich beschränkt bleibt und
nur gewöhnliches Muskel fleisch betrifft (— geringere Mengen un-
brauchbar gewordener, zersetzter Substanz werden ja anstandslos
täglich ausgeschieden in Form von Schweiß, Schleim usw. —);
dagegen viel ernster ist der Fall, wenn unter dem Einfluß unge-
sunder Lebensweise solche mit Rückbildung verbundene Erkran-
kung Sehnen, Knorpelsubstanz und Knochen ergreift, deren wider-
natürliche Ausscheidungen nun zunächst ins Fleisch hineingeraten
und dann hier die vorher geschilderten, aufs Rlut weiterwirkenden
Übel erzeugen; unfehlbar tödlich, wenn das Mark von ihr befallen
wird, was die völlige Umkehrung der natürlichen Assimilation
bedeutet. Krankheiten einer dritten Art aber werden entweder
durch Verstopfung der Luftwege oder durch die bei der zweiten
Art entstehenden Zerfällungsprodukte verursacht. Zu ihnen gehö-
ren alle möglichen Katarrhe, Entzündungen und Geschwüre, Haut-
ausschläge, Durchfall, Ruhr, die verschiedenen Formen des Fiebers,
dann auch die sogen, heilige Krankheit1, d. h. die fallende Sucht.
Für gewöhnlich, soweit es sich nicht um ganz gefährliche Zustände
handelt, läßt man den Krankheiten am besten ihren Lauf. Wie
dem Körper, an dem sie auftreten, die Zeit seines Wachstums und
Lebens von vornherein durch die individuell verschiedene Mischung
der Grundbestandteile bestimmt ist, so haben auch sie ihre natür-
liche Entwicklung und Dauer. Wenn man sie durch Arzneimittel
stört, so pflegt das Übel nur mannigfaltiger und größer zu werden.
Deshalb muß man solche Krankheiten, soweit man dazu Zeit hat,
durch sorgfältige Diät zu gängeln suchen, aber sich davor hüten,
daß man nicht durch Einnehmen starker Mittel sie reize.
Sich die Gesundheit erhalten ist besser als sie, nachdem
sie erschüttert worden ist, wieder hersteilen. Viel trägt zu ihrer
Erhaltung regelmäßige Körperbewegung und gymnastische Übung
(Sport) bei. Resonders nötig hat diese wer seinen Geist stark
anspornt durch Lernen und Nachdenken. Nur dadurch, daß der
Leib und die Seele gleichmäßig tüchtig geschult und geübt werden,
kann das Gleichgewichtsverhältnis zwischen diesen beiden Bestand-
teilen des menschlichen Wesens begründet und aufrecht erhalten

1 d. h. die fallende Sucht. Für weitere Einzelheiten verweise ich auf
meine Inhaltsdarstellung a. a. O. S. 139 f.
 
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