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Ritter, Constantin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 19. Abhandlung): Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37696#0074
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74

Constaatin Ritter:

dessen Bestandteile dem wunderbar eingerichteten Auge angepaßt
sind. Dieses ist so gebaut, daß es in seiner Mitte die feinsten,
leuchtenden, aber nicht erhitzenden Feuerkörperchen rein hindurch-
strahlen läßt, alle andern aber zurückhält. Wenn wir nun den
Blick auf einen Gegenstand richten, der vom Tageslicht beleuchtet
ist, das eben aus dergleichen Körperchen sich zusammensetzt, so
treffen die Ausstrahlungen unseres Auges mit den ganz gleich-
artigen Strahlen, die von diesem Gegenstand ausgehen, zusammen,
und so entsteht in der Blickrichtung ein zusammengesetzter (gleich-
artiger) Lichtkörper, der für uns dadurch sichtbar wird, daß sein
Widerstand die Ausstrahlungen des Auges gegen dieses zurück-
drängt, so daß die Bewegung auch durch den ganzen Körper
hindurchzittert und bis zur Seele geleitet wird. Nach dieser Theorie,
meint Platon, seien auch die verschiedenen Erscheinungen bei
Spiegelbildern mit der Vertauschung von rechts und links im ge-
wöhnlichen Flachspiegel oder der Umdrehung des Bildes im Hohl-
spiegel leicht zu erklären. Der Ort, wo der Lichtkörper sich bildet,
der dem Auge Anhalt gibt und so in der Seele die Wahrnehmung
des Sehens hervorruft, wird hier durch die glatte Fläche mitbe-
stimmt, welche die Ausstrahlungen des Auges und des Objekts
auffängt und einander entgegenlenkt1. Die Besonderheiten der
Farben werden begründet gefunden teils in der verschiedenen Größe
dieser Lichtkörperchen, teils in der verschiedenen Schnelligkeit,
mit der sie sich gegen unser Auge bewegen. Die weiße Farbe
scheint dem Heißen und scharf Schmeckenden, die schwarze dem
Kalten und Zusammenziehenden verwandt oder gar nur durch
die spezifische Eigenart des auffassenden Organs davon verschie-
den2: weiß ist eben was den Sehstrahl zerteilt, schwarz was ihn
zusammendrückt. Farblos und durchsichtig scheinen uns Körper
deren Ausstrahlungen von genau gleicher Zusammensetzung sind,
wie der Sehstrahl unseres Auges; in glänzender Farbe schimmernd
erscheint ein Gegenstand, der Strahlen besonderer Art von so
schneller Bewegung ausgehen läßt, daß sie den Sehstrahl bis zu
seinem Austritt aus dem Auge zerteilen und in das Auge selbst
heftig einstürmen, die Feuchtigkeit desselben, die sich als Träne
absondert, zum Teil heraustreibend. Ein Strahl wieder anderer
Art, der bis in die feuchte Substanz des Auges eindringt und mit

1 S. Nachtrag.
2 εκείνων παθήματα γεγονότα έν άλλω γένει τά αυτά 67 e.
 
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