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Consta nt in Ritter:
bekanntwerden zur Zeit der neuerwachenden griechischen Studien
dazu beigetragen hat, den Aristotelismus der Scholastik zu über-
winden, noch wichtiger ist für uns die Frage, welche methodi-
schen Grundsätze für die Erarbeitung naturwissen-
schaftlicher Erkenntnisse Platon aufstellt. Durch sie
hauptsächlich weist er sich als Geistesverwandten der Begründer
unserer neuzeitlichen Naturwissenschaft aus.
Der Philebos1 bietet uns eine Einteilung des Begriffs der mensch-
lichen Kenntnisse in eine technische und eine rein theoretische
Hälfte. Die einzelnen Fächer jener ersten, erklärt er, können nur
durch Zählen, Messen und Wägen eine gewisse Sicherheit
erhalten und — so ergänze ich aus der Politeia2 — die Ver-
schwommenheit des sinnlichen Eindrucks und die Unsicherheit
der bloß auf diesen sich stützenden rohen Handwerksübung über-
winden. Die Zahl-, Maß- und Gewichtsgrößen wieder können
mathematisch bearbeitet werden. Aber von der auf sie angewandten
Mathematik unterscheidet sich die philosophische Mathe-
matik, die es mit reinen aus lauter gleichen Einheiten beste-
henden Zahlen, mit außerempirischen Flächen und Körpern und
deren bloß gedachten Bewegungen zu tun hat. Und nur diese
reine mathematische Theorie besitzt volle Genauigkeit und Wider-
spruchsfreiheit.
Eine Stelle, die das noch deutlicher macht, enthält die
Politeia. Sie setzt uns auseinander, man dürfe sich niemals streng
an die sinnliche Darstellung mathematischer Verhältnisse halten.
Diese könne nur Andeutungen geben und sei nur als Symbol zu
benutzen, wie das bei der Geometrie besonders klar zu erkennen
sei. Selbst dem größten Künstler, einem zweiten Daidalos, könnte
es nimmermehr gelingen, durch Herstellung eines festen Rahmens
oder durch Zeichnung mit dem Stift den mathematischen Begriff
genau zu verwirklichen. Denken wir uns solche Darstellungen
von seiner Hand mit peinlichster Sorgfalt ausgeführt: „wer etwas
verstünde von Geometrie, dürfte beim Anblick derselben wohl
anerkennen, sie seien hervorragend schön gelungen, doch fände
er es lächerlich, wenn man sich mit ihnen ernsthaft befassen
wollte in der Meinung, es ließe sich an ihnen die Wahrheit des Ver-
hältnisses gleich großer oder doppelt großer Dinge oder irgend
1 Phil. 55 d ff.
2 Pol. 522 c ff.
Consta nt in Ritter:
bekanntwerden zur Zeit der neuerwachenden griechischen Studien
dazu beigetragen hat, den Aristotelismus der Scholastik zu über-
winden, noch wichtiger ist für uns die Frage, welche methodi-
schen Grundsätze für die Erarbeitung naturwissen-
schaftlicher Erkenntnisse Platon aufstellt. Durch sie
hauptsächlich weist er sich als Geistesverwandten der Begründer
unserer neuzeitlichen Naturwissenschaft aus.
Der Philebos1 bietet uns eine Einteilung des Begriffs der mensch-
lichen Kenntnisse in eine technische und eine rein theoretische
Hälfte. Die einzelnen Fächer jener ersten, erklärt er, können nur
durch Zählen, Messen und Wägen eine gewisse Sicherheit
erhalten und — so ergänze ich aus der Politeia2 — die Ver-
schwommenheit des sinnlichen Eindrucks und die Unsicherheit
der bloß auf diesen sich stützenden rohen Handwerksübung über-
winden. Die Zahl-, Maß- und Gewichtsgrößen wieder können
mathematisch bearbeitet werden. Aber von der auf sie angewandten
Mathematik unterscheidet sich die philosophische Mathe-
matik, die es mit reinen aus lauter gleichen Einheiten beste-
henden Zahlen, mit außerempirischen Flächen und Körpern und
deren bloß gedachten Bewegungen zu tun hat. Und nur diese
reine mathematische Theorie besitzt volle Genauigkeit und Wider-
spruchsfreiheit.
Eine Stelle, die das noch deutlicher macht, enthält die
Politeia. Sie setzt uns auseinander, man dürfe sich niemals streng
an die sinnliche Darstellung mathematischer Verhältnisse halten.
Diese könne nur Andeutungen geben und sei nur als Symbol zu
benutzen, wie das bei der Geometrie besonders klar zu erkennen
sei. Selbst dem größten Künstler, einem zweiten Daidalos, könnte
es nimmermehr gelingen, durch Herstellung eines festen Rahmens
oder durch Zeichnung mit dem Stift den mathematischen Begriff
genau zu verwirklichen. Denken wir uns solche Darstellungen
von seiner Hand mit peinlichster Sorgfalt ausgeführt: „wer etwas
verstünde von Geometrie, dürfte beim Anblick derselben wohl
anerkennen, sie seien hervorragend schön gelungen, doch fände
er es lächerlich, wenn man sich mit ihnen ernsthaft befassen
wollte in der Meinung, es ließe sich an ihnen die Wahrheit des Ver-
hältnisses gleich großer oder doppelt großer Dinge oder irgend
1 Phil. 55 d ff.
2 Pol. 522 c ff.