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Ritter, Constantin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 19. Abhandlung): Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37696#0084
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84

Constantin Ritter:

Eine ruhige Ablehnung des Experiments enthält der Timaios
bei Darstellung der Farbenlehre. Viele Farben erklärt er (s. S. 75),
sind durch Mischung entstanden. Genaueres darüber läßt sich
aber nicht angeben. Darauf fährt er wörtlich fort: „Sollte aber
jemand das Verhältnis durch Experiment festzustellen unter-
nehmen, so befände er sich im Unklaren über den Unterschied
menschlicher und göttlicher Natur. Gott allerdings weiß, wie eine
Vielheit sich zur Einheit zusammenmischt und die Einheit wiederum
in ihre vielen Bestandteile sich auflöst, und hat auch die Macht
dazu, dieses zu vollbringen; menschliche Weisheit und mensch-
liche Kraft aber reicht dazu nicht aus und wird für alle Zukunft
nie dazu ausreichen.“
Man wird finden, daß Platon sich hier zu kleinmütig über die
Leistungsfähigkeit der durch scharfsinnig ausgedachte und fein
konstruierte Werkzeuge unterstützten sinnlichen Beobachtung ge-
äußert habe. Gewiß. Aber wahr bleibt doch, daß die feinsten
Instrumente nicht sinnlich machen können was seiner Natur nach
unsinnlich ist, den inneren Zusammenhang der Erscheinungen und
das Gesetz, durch das er beherrscht gedacht wird, und daß die
Vorstellung davon erst Gliederung und Einheit in die Masse des
empirisch Zusammengetragenen bringen und Wissenschaft be-
gründen kann.
Wie hoch übrigens Platon den Wert technischer Hilfs-
mittel anschlug, das sehen wir aus dem Überblick, den das 3. Buch
der Nomoi über die Entwicklung der Kulturgeschichte gibt, wobei
deutlich wird1, daß es den Erfindern der einfachsten Werkzeuge,
deren Namen verschollen sind, große Verdienste zuerkennt, und
aus der Abrechnung, die er im 10. Buch der Politeia mit Homer
vornimmt. Er fragt, was die wirklichen Verdienste des Dichters
seien, der vielen als der Mann gelte, der zu allem anleiten könne.
Keine Stadt könne ihre Gesetze auf ihn zurückführen, kein Krieg
sei nach seinen Gedanken gut geführt worden; auch technische
oder sonst praktische Erfindungen, wie man sie dem Thaies oder
Anacharsis zuschreibt, seien von ihm nicht gemacht worden2.
Auch haben wir schon gesehen, daß z. B. Planetarien, deren Her-
stellung nicht eben einfach war, im astronomischen Unterricht
seiner Akademie benützt worden sind. Find so hätte er gewiß

1 Besonders Nom. 677 c, d.
2 Vgl. dazu auch Symp. 209 a.
 
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