88
Constantin Ritter:
Konzentration eine Menschenkraft je hätte leisten können“, daß
die Vorträge, die er in der Akademie hielt, „auch für die Geschichte
der Mathematik nicht hoch genug angeschlagen werden können“,
und daß von einem gewissen Zeitpunkt an „die Akademie in der
Geschichte der griechischen Mathematik die leitende Stellung ein-
nimmt.“1 Wie viel an mathematischem Wissen Platon selbst
durch eigene Untersuchung ans Licht förderte, wieviel er von
einem Archytas und Eudoxos, die beide unbestritten zu den
fähigsten und hervorragendsten Mathematikern des Altertums
gehören und keinen Vergleich mit den größten der neueren Zeit
zu scheuen brauchen, lernte und sich zeigen ließ, wie viel auch von
Theaitetos, Menaichmos, Helikon, Philippos, Laodamas, die alle
Großes zustande gebracht haben, oder umgekehrt sie lehrte und
ihnen klar machte, das werden wir niemals mehr sicher im einzelnen
entscheiden können. Aber darauf kommt es wirklich nicht an.
Das volle Verständnis jedenfalls für die mathematischen Arbeiten
aller seiner Freunde und Genossen hat Platon besessen und sicher-
lich haben sie alle von ihm viel reiche und fruchtbare Anregungen
erfahren.
Einzelne mathematische Lehrsätze werden bestimmt auf
Platon zurückgeführt. So der Satz, von dem im Timaios bei der
Konstruktion der Elemente Gebrauch gemacht wird, daß zwischen
zwei Quadratzahlen je eine, zwischen zwei Kubikzahlen immer
zwei mittlere Proportionalen liegen2. Ferner wird uns erzählt,
daß er für die Auffindung rationaler rechtwinkliger Dreiecke ein
eigenes Verfahren ausgedacht habe, das sich durch folgende Regel
beschreiben läßt: man nimmt eine gerade Zahl und setzt sie gleich
einer der beiden Katheten; wird diese halbiert, die Hälfte quadriert
und zu diesem Quadrate die Einheit addiert, so ergibt sich die
Hypotenuse; wird aber die Einheit vom Quadrate subtrahiert,
so erhält man die andere Kathete. In verschiedenen Fassungen
wird uns auch ein Bericht übermittelt, nach dem Platon ein Ver-
fahren erfunden hätte, den Würfel zu verdoppeln. Doch ist diese
Angabe stark verdächtig3. Aber kaum zu bezweifeln wird sein,
1 Usener in den Preuß. Jahrb. LI11 (1884), vgl. meinen Platon Bd. I,
S. 189; Cantor, Vorlesungen über Geschichte der Mathematik I3, S. 215 u. 213.
2 Cantor I3, 164 schreibt: „Euklid beweist es und Nikomachus nennt
die Sätze platonisch.“
3 Vgl. Eva Sachs, Die fünf platonischen Körper, S. 150, mit Berufung
auf Heiberg, Archimedes III, S. 66ff.
Constantin Ritter:
Konzentration eine Menschenkraft je hätte leisten können“, daß
die Vorträge, die er in der Akademie hielt, „auch für die Geschichte
der Mathematik nicht hoch genug angeschlagen werden können“,
und daß von einem gewissen Zeitpunkt an „die Akademie in der
Geschichte der griechischen Mathematik die leitende Stellung ein-
nimmt.“1 Wie viel an mathematischem Wissen Platon selbst
durch eigene Untersuchung ans Licht förderte, wieviel er von
einem Archytas und Eudoxos, die beide unbestritten zu den
fähigsten und hervorragendsten Mathematikern des Altertums
gehören und keinen Vergleich mit den größten der neueren Zeit
zu scheuen brauchen, lernte und sich zeigen ließ, wie viel auch von
Theaitetos, Menaichmos, Helikon, Philippos, Laodamas, die alle
Großes zustande gebracht haben, oder umgekehrt sie lehrte und
ihnen klar machte, das werden wir niemals mehr sicher im einzelnen
entscheiden können. Aber darauf kommt es wirklich nicht an.
Das volle Verständnis jedenfalls für die mathematischen Arbeiten
aller seiner Freunde und Genossen hat Platon besessen und sicher-
lich haben sie alle von ihm viel reiche und fruchtbare Anregungen
erfahren.
Einzelne mathematische Lehrsätze werden bestimmt auf
Platon zurückgeführt. So der Satz, von dem im Timaios bei der
Konstruktion der Elemente Gebrauch gemacht wird, daß zwischen
zwei Quadratzahlen je eine, zwischen zwei Kubikzahlen immer
zwei mittlere Proportionalen liegen2. Ferner wird uns erzählt,
daß er für die Auffindung rationaler rechtwinkliger Dreiecke ein
eigenes Verfahren ausgedacht habe, das sich durch folgende Regel
beschreiben läßt: man nimmt eine gerade Zahl und setzt sie gleich
einer der beiden Katheten; wird diese halbiert, die Hälfte quadriert
und zu diesem Quadrate die Einheit addiert, so ergibt sich die
Hypotenuse; wird aber die Einheit vom Quadrate subtrahiert,
so erhält man die andere Kathete. In verschiedenen Fassungen
wird uns auch ein Bericht übermittelt, nach dem Platon ein Ver-
fahren erfunden hätte, den Würfel zu verdoppeln. Doch ist diese
Angabe stark verdächtig3. Aber kaum zu bezweifeln wird sein,
1 Usener in den Preuß. Jahrb. LI11 (1884), vgl. meinen Platon Bd. I,
S. 189; Cantor, Vorlesungen über Geschichte der Mathematik I3, S. 215 u. 213.
2 Cantor I3, 164 schreibt: „Euklid beweist es und Nikomachus nennt
die Sätze platonisch.“
3 Vgl. Eva Sachs, Die fünf platonischen Körper, S. 150, mit Berufung
auf Heiberg, Archimedes III, S. 66ff.