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Ritter, Constantin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 19. Abhandlung): Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37696#0096
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96

Constantin Ritter:

Die mathematischen Stellen des Timaios zu besprechen, habe
ich kaum den Mut. Das Bewußtsein meiner Unzulänglichkeit dazu
hat mir den Abschluß des ganzen Aufsatzes lang hinausgezögert.
Nun hilft mir das Erscheinen von Eva Sachs’ Untersuchungen
über die platonischen Körper, auf die ich auch schon in mehreren
Anmerkungen Bezug nehmen konnte, glücklich über einen Teil
der Schwierigkeiten hinweg. Und da ich mir nichts anmaßen will,
was nicht mein eigen ist, darf ich wohl einfach einige Ausführungen
hier einsetzen* 1. „Wichtig ist ..., daß bei Platon zuerst in der
Literatur die fünf regulären Körper auftreten, und zwar deutlich
so, daß ihre mathematische Konstruktion als bekannt vorausgesetzt
wird. Platon kennt den Schlußsatz des Euklid (Heib. IV, S. 336,
15ff.), der den Beweis enthält, daß es nur fünf reguläre Körper
geben könne (Tim. 55a). Er weiß, daß die regulären Körper in
eine Kugel eingeschrieben werden können, deren Oberfläche ihre
Ecken εις ΐσα μέρη καί δμοια teilen“. „In der Beschreibung der
regulären Körper, von denen das Oktaeder und Ikosaeder durch
Theätet erst entdeckt waren2, wird gleich zuerst auf den schönen
Beweis dafür, daß es nur fünf reguläre Körper geben könne, an-
gespielt. <Tim.>54e wird gesagt, daß der ,konvexe Winkel' (στερεά
γωνία) des Tetraeders, der durch Addition der drei Seiten gebildet
wird, 180° beträgt. Das kann sich nur auf den Beweis Euklid XIII
(Schluß) beziehen; denn nirgends in der den Alten zugänglichen
Mathematik war sonst Gelegenheit, in dieser befremdlichen Weise
durch Addition die Seiten einer körperlichen Ecke zu dem Begriffe
eines Winkels zusammenzufassen. Der Beweis Theaetets aber,
der sich auf den Satz stützte: ,die Summe der Seiten einer körper-
lichen Ecke beträgt weniger als 4 Rechte', macht in der Tat von

muß sich dem unmittelbaren Eindruck der platonischen Schilderung künst-
lich verschließen. Es wäre auch nicht verständlich, wie Platon von dem Knaben,
den er uns vorstellt, so große Erwartungen hätte durch den Mund des Sokrates
aussprechen mögen, ehe dieser wirklich etwas Großes geleistet hatte. Vgl.
auch hierüber Vogt a. a. O. S. 118ff., nebst Eva Sachs, De Theäteto Athe-
niensi mathematico, diss. Berol. 1914, S. 18ff., 40, und Die fünf platonischen
Körper (24. Heft der Philol. Unters., hersg. v. Kiessling und Wilamowitz)
1917, S. 88, 156, 160.
1 Die betreffenden Sätze stehen bei E. Sachs, S. 48, 210, 126, 173.
2 Dies bezeugt ein Scholion zu Eukleides NIII (bei Heib. V S. 2,82,
13ff.); und ich meine, es sei E. Sachs gelungen, alle Bedenken zu zer-
streuen, die gegen die Richtigkeit dieses Zeugnisses erhoben worden sind
(s. besonders S. 29 u. 89).
 
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