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Ritter, Constantin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 19. Abhandlung): Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37696#0104
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104

Consta Λ’Tin Ritter:

Auch ohne die Vermittlung des Gedankens, daß ein Gott,
ein denkendes und nach Zwecken berechnendes Wesen die Grund-
lagen gelegt habe, die die Pfeiler unserer Verbindungsbrücke tragen,
läßt sich auf den Gedanken, daß sie eben objektiv vorhanden seien,
ein rückwärts schreitendes Schlußverfahren gründen. Und dieser
Weg des Schließens gewährt augenscheinliche Vorteile. Was uns
unmittelbar gegeben ist, sind eben Dinge, Verhältnisse, Zu-
stände der Gegenwart. Wir haben sie zum Teil vor unseren Augen
entstehen sehen und die Entwicklung durch Stufen hindurch ver-
folgen können. Beobachtungen darüber dienen uns als Analogie,
wenn wir versuchen, auch solches, dessen Entstehung wir nicht
Zusehen konnten, auf früher Dagewesenes zurückzuführen. Der
uns eingeborene Erkenntnistrieb oder, wenn man lieber will, der
Trieb zur Zusammenfassung, zur Einheit, der ein Merkmal mensch-
licher Veranlagung bildet, stellt uns die Aufgabe solcher Zurück-
führungen. Und sobald wir sie als Aufgabe erfassen, wird die
Lösung für uns zum Zweck. Wir geben dann unserer zur Unter-
suchung drängenden Frage anstatt der Form: warum ist das so,
dieses einzelne, Bestimmte, Tatsächliche ? die andere: wie mußten
die Verhältnisse sein, damit das herauskam ? Das kann man nun
wohl auch als teleologische Betrachtung bezeichnen. Aber Teleo-
logie ist es doch eigentlich nur der äußeren Form und Einkleidung
nach. Dem Gehalt nach ist es nichts weiter als umgekehrt betrach-
tete Ätiologie1. Find ich glaube darum, daß kein Naturwissen-
schaftler diese Form der Teleologie verwerfen wird, und daß die
werden. Die Darstellung des Historikers sucht die Möglichkeit, für die er
sich entschieden hat, auch anderen zur einleuchtenden Wahrscheinlichkeit
zu machen. Es ist das freilich im Ganzen genau ebenso bei der Erklärung von
Vorgängen in der leblosen Natur. Z. B. die bestimmte Zeit, wo und die näheren
Einzelumstände, unter denen der verheerende Ausbruch des Krakataua oder
das Erdbeben von Lissabon oder der Einbruch der Zuydersee erfolgt ist,
lassen sich mit unseren Mitteln nicht als notwendig erweisen. Der Natur-
wissenschaftler wird, ähnlich wie der Historiker, nur sagen können: so viel
wir von den Umständen wissen, dürfen wir nach allgemeinen Gesetzen uns
die Sache etwa folgendermaßen vorstellen. Ähnlich dann auch, wenn wir die
Planetenbewegungen erklären wollen. Damit, daß uns zur Erklärung eine
Geschichte erzähle und so unsere Phantasie beschäftigt wird, die sich das
einzelne ausmalen kann, sind wir freilich oft völlig befriedigt oder wenigstens
geschwelgt, ebenso wie Kinder durch ein Märlein, umso sicherer, je länger
und verwickelter es war.
1 Vgl. Sigwart, Logik II4, S. 263: „So verhält sich die Betrachtung
des Zwecks zur Betrachtung der wirkenden Ursachen etwa wie die Division
 
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